EU-Chemikalienpolitik: Risikoanalysen stärken Gesundheits- und Umweltschutz

Ergebnisse eines Vergleichs: EU, Japan, USA

11.07.2001
In den USA werden jährlich etwa dreimal soviel neue chemische Stoffe angemeldet wie in der EU. Das europäische System der Chemikalienkontrolle ist zu bürokratisch und zu starr, denn die Testanforderungen für Chemikalien hängen hier in erster Linie vom Produktionsvolumen bzw. der Einfuhrmenge und nicht vom Risiko ab. Diese geringe Flexibilität führt auch zu vergleichsweise hohen Kosten für Neuanmeldungen in der EU. Eine ökonomischere und sicherere Handhabung für die EU schlägt Dr. Manfred Fleischer vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) in seiner Studie vor, die er für die Europäische Kommission in der EU, in Japan und den USA durchgeführt hat. Das amerikanische System der Chemikalienkontrolle ist flexibler. Es gilt der Grundsatz, daß nur jene Chemikalien reguliert werden, die ein unzumutbares Risiko bergen. So sind die Mindestanforderungen bei der Anmeldung neuer Stoffe zwar gering, doch die Environmental Protection Agency (EPA) kann abhängig vom erwarteten Gesundheits- und Umweltrisiko des neuen Stoffs weitere Daten verlangen. Das kann zu einem hohen Maß an Unsicherheit über die Anmeldung bei den Unternehmen führen. Diese Unsicherheit drückt sich in unerwarteten Testanforderungen aus, die entsprechend zusätzliche Testkosten und Zeitverzögerungen bedeuten können. Die empirische Analyse des WZB stützt sich auf einen Vergleich der Rechtsvorschriften und auf eine eigens für diese Analyse aufgebaute Datenbank mit Daten aus den Geschäftsberichten europäischer, japanischer und amerikanischer Chemieunternehmen. Im folgenden sind die wichtigsten Teilergebnisse zusammengefaßt: - Erstens konnten anhand der Struktur, wie Risikoinformation verarbeitet wird, zwei Systeme der Regulierung unterschieden werden: das System mit risikoabhängigen Testverfahren (USA und Japan) und das mit festen Testanforderungen (EU). - Zweitens weist der Test der ökonomischen Leistungsfähigkeit die US-Unternehmen als die leistungsfähigsten aus, gefolgt von europäischen und japanischen Unternehmen. Bei der Schätzung der Produktivität der FuE-Aufwendungen - gemessen am Betriebsergebnis bzw. an erteilten Patenten - zeigt sich ein ähnliches Bild. So halten etwa bei den Polymer-Patenten die US-Unternehmen einen überproportionalen Anteil, was auf die US-Polymerregulierung zurückgeführt werden kann. - Drittens liefert die Messung der Innovationsleistung der Unternehmen anhand der von ihnen berichteten Innovationen keine eindeutigen Ergebnisse. Als entscheidender Indikator zur Beurteilung der Innovationswirkung der Neustoff-Regulierung kann die Anzahl der pro Jahr angemeldeten Neustoffe angesehen werden. Hier beträgt die Anzahl der USA das 3-fache der EU und das 2,8-fache Japans. - Viertens sind die Wirkungen auf die Schutzziele Arbeits-, Gesundheits- und Umweltschutz schwieriger festzustellen als Innovationswirkungen. Da keine Daten über auffällige Schutzzielverletzungen vorliegen, könnte man schließen, daß die jeweiligen Regulierungen diese Ziele gleichermaßen gut erreichen, wenn auch zu bedenken ist, daß ein solches Maß nicht eingetretene, aber vorhandene Risiken nicht erfaßt. - Fünftens läßt sich als Fazit festhalten, daß die risikoabhängigen Testsysteme (USA und Japan) kostengünstiger, schneller und effizienter sind als Systeme mit festen Testanforderungen (EU), wenn das zu erwartende Risiko der neuen Stoffe gering ist. Aus den Ergebnissen der Analyse folgt, daß die Regulierung neuer chemischer Substanzen in der EU verbessert werden kann. Denn wenn eine Gesellschaft an einer Minimierung der Risiken interessiert ist, dann erscheint es nicht zweckmäßig, die gleiche Anzahl von Tests für Substanzen durchzuführen, von denen man annimmt, daß sie möglicherweise gefährlich sind, wie von Substanzen, bei denen die Wahrscheinlichkeit groß ist, daß keine Gefahren mit ihnen verbunden sind.

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