Die Lotosblume wird wegen ihrer Schönheit bewundert, aber nicht nur: Techniker
beneiden sie vor allem um die faszinierende Fähigkeit ihrer Blätter, sich selbst
zu reinigen, den nach ihr benannten Lotuseffekt. Auto nie mehr
Waschen, Fenster
nie mehr putzen müssen - das wäre schön, der Weg dahin ist aber noch weit.
Chinesischen Forschern ist nun ein vielversprechender Schritt in die richtige
Richtung gelungen.
Das Geheimnis der immer sauberen Lotosblätter liegt in ihrer speziellen, extrem
wasserabweisenden ("superhydrophoben") Oberflächenstruktur:
Wasser kann die
Blütenblätter so gut wie gar nicht benetzen, es perlt einfach ab - und nimmt
anhaftende Schmutzpartikel mit. Zauberwort ist der so genannte Kontaktwinkel,
das ist der Winkel zwischen der Oberfläche des Blattes und des Wassertropfens an
der Kontaktstelle: Je wasserabweisender die Oberfläche, desto größer der
Kontaktwinkel. Das Lotos-Blatt hat eine extrem raue, nanostrukturierte
Oberfläche. Der Wassertropfen liegt darauf wie auf einem Nagelbett, zwischen den
Nanospitzen ist Luft - und Luft ist gar nicht benetzbar, was einem Kontaktwinkel
von 180° entspricht.
Das Team um Lei Jiang stellte nun einen dünnen künstlichen Film mit
superhydrophoben Eigenschaften aus
Polystyrol her, einem gängigen Kunststoff.
Auch die gewählte elektrohydrodynamische Herstellmethode ist eine gängige
Technik: Eine Lösung von Polystyrol in einem organischen
Lösungsmittel wird
durch eine Düse gepresst. Zwischen Düse und Kollektorplatte liegt eine hohe
elektrische Spannung an, die den Flüssigkeitsstrom auflädt und in Richtung
Kollektor beschleunigt. Wie der Polystyrolfilm aussieht, der sich auf dem
Kollektor sammelt, hängt in erster Linie von der
Konzentration der
Polystyrol-Lösung ab. Konzentrierte
Lösungen sind so viskos, dass beim Ausdüsen
Nanofasern entstehen. Der Nanofaser-Film zeigt aber "nur" Kontaktwinkel von
139°. Wird dagegen eine verdünnte Lösung ausgedüst, tritt die Flüssigkeit nicht
als Faser aus, sondern als Tröpfchen, die beim Verdunsten des Lösungsmittels zu
porösen Mikropartikeln erstarren, deren Oberfläche mit Nanopapillen übersät ist.
Ein Film aus diesen porösen Kügelchen ist extrem rau und erreicht
Kontaktwinkel-Traumwerte von 162°. Leider lösen sich aber die Kügelchen aus dem
Film heraus. So entstand die Idee eines Kompositmaterials, das die Vorteile
beider Texturen vereint: Bei einer fein austarierten Polystyrol-Konzentration
treten beim Ausdüsen sowohl Nanofasern als auch Mikropartikel auf. Im
enstehenden Film sorgen dann die porösen Mikropartikel für den hohen
Kontaktwinkel (160,4°), die Nanofasern fixieren die Kügelchen in einem stabilen
Netzwerk. Die einfache Methode scheint sich auch zur Herstellung
superhydrophober Filme aus vielen anderen Materialien zu eignen.