Rezessionssignale in der Chemiebranche

12.10.2001

Rückläufige Produktionszahlen, reale Umsatzeinbußen, sinkende Produktivität und einbrechende Geschäftserwartungen: Das sind Anzeichen für eine mögliche Chemie-Rezession. Praktisch von Monat zu Monat haben sich die Lage und die Prognosen verschlechtert. Die Hoffnung auf eine Rückkehr der deutschen Chemie auf den Wachstumspfad im zweiten Halbjahr 2001 sind nach den Terroranschlägen in den USA endgültig erloschen. Dies sind die Ergebnisse einer Konjunkturanalyse des Bundesarbeitgeberverbandes Chemie.

Der Gesamtumsatz (einschließlich handels- und fachfremder Umsätze) der deutschen Chemiebetriebe wuchs im vergangenen Jahr noch um 11,2 vH. Dabei stammte der Großteil dieser positiven Entwicklung aus einem überdurchschnittlichen Anstieg des Auslandsumsatzes.

Von Januar bis Juli 2001 lag der Gesamtumsatz der Branche aber nur noch um 3,3 vH über Vorjahresniveau. Gleichzeitig verzeichneten die Chemie-Erzeugerpreise in den ersten sieben Monaten diesen Jahres ein Plus von 3,6 vH. Die Umsatzsteigerung resultierte also vollständig aus der Preiserhöhung. Die real verkaufte Produktmenge blieb damit sogar hinter dem Vorjahr zurück. Nach wie vor ist der Auslandsumsatz dabei dynamischer als das Inlandsgeschäft, das bereits rückläufig ist. Angesichts der zu erwartenden Entwicklung auf dem besonders wichtigen nordamerikanischen Markt droht nun auch dieses Standbein wackelig zu werden.

Bei der Interpretation der amtlichen Produktivitätszahlen ist zu beachten, dass diese durch Umstrukturierungs- und Outsourcingeffekte in den Unternehmen regelmäßig nach oben verzerrt werden. Im weit verbreiteten Fall des Outsourcing von Dienstleistungsbereichen z. B. verbleibt typischerweise die gesamte Produktion im Kernunternehmen, ein Teil der Beschäftigten wandert jedoch in ein neu gegründetes (Dienstleistungs-) Unternehmen über. Als Folge wird die Chemie-Produktion in der amtlichen Statistik unverändert erfasst, die Beschäftigtenzahl der chemischen Industrie sinkt jedoch. Daraus ergibt sich eine statistische Steigerung der Pro-Kopf-Produktion in der chemischen Industrie und damit der ausgewiesenen Produktivität.

Seit März 2001 liegt die Produktion in der deutschen Chemie kontinuierlich unter dem jeweiligen Vorjahresniveau. In den letzten Monaten wurde dieses um rund 2 vH unterschritten. In der Kumulation der ersten sieben Monate 2001 sank die Produktion um 0,8 vH.

Besonders betroffen von der negativen Entwicklung: Chemiefasern (-7,3 vH), Seifen, Wasch- und Reinigungsmittel (-5,7 vH), chemische Grundstoffe (-3,1 vH), sonstige chemische Erzeugnisse (-3,1 vH).

Der positive Produktionstrend im Bereich der Schädlingsbekämpfungs- und Pflanzenschutzmittel sowie bei der Herstellung von pharmazeutischen Erzeugnissen konnte die negative Entwicklung in den übrigen Bereichen nicht ausgleichen.

Die schwierige konjunkturelle Situation der Branche spiegelt sich auch im Index des aktuellen Geschäftsklimas wider, der vom Münchener ifo-Institut veröffentlicht wird. Seit Herbst des Jahres 2000 befindet sich der Index im bisher freien Fall. Die Entwicklungen nach den Terroranschlägen in den USA sind dabei in der aktuellen Zeitreihe noch nicht enthalten. Nach ersten Einschätzungen exportorientierter Unternehmen haben die Ereignisse die aktuelle Lage wie auch die Aussichten bis weit in das Jahr 2002 hinein nochmals deutlich verschlechtert.

Nach einem Produktivitätszuwachs von 4,5 vH im vergangenen Jahr ist seit Jahresanfang 2001 die Produktivität der chemischen Industrie um 0,3 vH gesunken. Gleichzeitig stiegen die Lohnstückkosten um 4,3 vH an. Ursache: Bei weitgehend konstanter Beschäftigtenzahl ist die Auslastung der Produktionskapazitäten zurückgegangen. Im verarbeitenden Gewerbe insgesamt konnte dagegen eine Steigerung der Produktivität von 2,1 vH erzielt werden. Die Lohnstückkosten stiegen dort lediglich um 0,6 vH.

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