AUSBLICK: Chemie für 2002 gerüstet - Warten auf Konjunkturwende

07.01.2002
FRANKFURT (dpa-AFX) - Die Chemiebranche könnte sich zu einem frühen Gewinner der im laufenden Jahr erwarteten Konjunkturerholung entwickeln. Allerdings haben die Aktienkurse der Großen aus der Branche nach Ansicht von Analysten bereits einen Teil der Aufwärtsbewegung vorweg genommen. Der weltweite Abschwung habe nun auch Konjunktur resistente Unternehmen erfasst. Dies gilt als Wendesignal. Die Branche steht bereits in den Startlöchern, und zwar beweglicher als vor der Krise. Für 2002 ist der Konjunkturausblick allerdings noch nicht rosig. Die europäische Vereinigung der Chemie-Industrie rechnet mit einer erneuten Abschwächung des Wachstums. Noch vor zwei Jahren hatte die Branche um 4,6 Prozent zugelegt. Für das vergangene Jahr erwartet der Verband einen Wachstumsrückgang auf 1,1 Prozent. 2002 wird der Chemie ein Plus von 0,8 Prozent bescheren. Erst vom Jahr 2003 an wird mit steigenden Wachstumsraten gerechnet. KONJUNKTURKRISE ZU UMSTRUKTURIERUNG GENUTZT Auf die trübe Konjunktur hat die Branche mit Umstrukturierungen und Stellenabbau reagiert. So sind in den vergangenen Monaten mehr als 23.000 Arbeitsplätze allein in Europa abgebaut worden. Den Umbau wertete Analyst Jörg-Andre Finke von Helaba Trust positiv. Die Unternehmen hätten die "Chance genutzt und ohne viel Gegenwehr klar Schiff gemacht", sagte Finke. Die Unternehmen schafften sich damit eine "gute Position" für den Aufschwung. Analysten erwarten diesen im zweiten Halbjahr dieses Jahres. Im operativen Geschäft werde sich eine Belebung bereits nach ein bis zwei Monaten niederschlagen, sagte Finke. Merrill Lynch gibt aber zu bedenken, dass die Chemie-Werte derzeit im historischen Vergleich nicht günstig bewertet seien. Die Aktien hätten im Vorlauf auf eine schnelle Konjunkturwende bereits kräftig zugelegt. Die Entwicklung werde vom Aufbau neuer Kapazitäten und der fehlenden Möglichkeit, Preise durchzusetzen, gehemmt. FAVORIT DSM - SKEPSIS BEI Bayer Von einer Rally bei konjunkturempfindlichen Werten dürften nach Ansicht von Merrill Lynch und Sal. Oppenheim vor allem BASF oder die niederländische DSM profitieren. Für Analyst Ludger Mus von Sal. Oppenheim ist DSM der "Top-Wert für 2002". Skeptisch beurteilen Analysten Bayer Merrill Lynch rät wegen zu viel Unsicherheit derzeit schlichtweg ab. Finke von Helaba Trust und Mus von Sal. Oppenheim raten zur Vorsicht. Nach dem Lipobay-Debakel sei inzwischen zwar wieder Positives zu vernehmen, aber das Pharmageschäft berge Risiken. Der Experte wertete das neue Bayer-Gesicht einer Führungsholding positiv, unter der die vier Sparten Chemie, Kunststoffe, Gesundheit und Pflanzenschutz ab 2003 rechtlich selbstständig agieren sollen. BAYER IM JANUAR AN US-BÖRSE Die Umbaupläne sind eine Konsequenz aus dem Lipobay-Desaster. Bayer war im dritten Quartal 2001 erstmals in seiner Geschichte in die Verlustzone gerutscht. Der US-Börsengang, der ursprünglich für September geplant war, wurde auf den 24. Januar verschoben. Lehman Brothers verspricht sich von der Steuerreform in Deutschland 2002 positive Effekte. Bayer kann Beteiligungen dann steuerfrei veräußern. Ein "enormes Potenzial" billigt Finke Degussa zu. Die Gesellschaft sei eine der führenden Spezialchemie-Werte. Das Management habe beim Umbau bisher gehalten, was es versprochen habe. Von einem Ölpreisrückgang könnte Degussa zudem anders als BASF profitieren. DEGUSSA MIT HÖHERER MARKTKAPITALISIERUNG? Degussa habe den Abschwung bisher am besten weggesteckt, fügte Mus hinzu. Wenn E.ON seinen Aktienanteil verkaufe, erhöhe sich zudem die Marktkapitalisierung im DAX. Analyst Tobias Mock bei der HypoVereinsbank ist zwar von der "schnellen Umsetzung der Strategie" bei Degussa überzeugt. Allerdings weist er darauf hin, dass Umstrukturierungen das Ergebnis 2002 nochmals belasten werden. Wer mit einem längeren Abschwung rechne, sei mit Akzo Nobel gut bedient, sagten Analysten. Die Aktie sei wenig zyklisch. Das Lackgeschäft sei den Schwankungen unterworfen. Das deutlich über dem Markt liegende Wachstum im Pharmageschäft gleiche dies aus, betonten HypoVereinsbank und Sal. Oppenheim. Die HypoVereinsbank rechnet 2003 mit einem positiven Beitrag aller Geschäftsbereiche und einem deutlichen Ergebnisanstieg. Dem stimmte auch Michael Butcher von der Bayerischen Landesbank zu. Bei Akzo habe das Pharmageschäft nicht wie bei Bayer an Dynamik verloren.

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