Erste Schritte auf dem Weg zur Spin-Elektronik
Stuttgarter Max-Planck-Forscher gelingt es erstmals, die Wechselwirkung zwischen Elektronen-Spin und Kern-Spin in einem Halbleiter elektrisch zu messen und zu steuern
In der Elektronik und Informationstechnologie sind Halbleiter deshalb so verbreitet, weil die für die Leitfähigkeit verantwortlichen freien Ladungsträger äußerst flexibel manipuliert bzw. mit Hilfe einer angelegten Spannung hin und her transportiert werden können, um logische Schaltvorgänge durchzuführen. Längerfristig kommt in der Informationstechnologie jedoch dem Spin der Elektronen oder sogar dem von einzelnen Atomkernen eine wachsende Bedeutung zu. Der Spin ist eine quantenmechanische Eigenschaft von Elementarteilchen. Man kann ihn vereinfacht als eine Drehung um die eigene Achse veranschaulichen - entweder im oder gegen den Uhrzeigersinn. Experten sprechen hierbei von aufwärts oder abwärts gerichtetem Spin. Da grundsätzlich nur zwei elementare Spinrichtungen möglich sind, liegt es nahe, diese als binäre Informationsträger zu verwenden. Festplatten sind ein alltägliches Beispiel dafür, wie der Spin zur Speicherung von digitalen Informationen mit Hilfe von magnetischen Feldern von einer in die andere Richtung dauerhaft "umgeklappt" werden kann.
Besonders vorteilhaft wäre es jedoch, wenn man die Spinrichtung von Elementarteilchen - genauso wie die Ladungsträger in Halbleitern - auf elektrischem Weg durch Anlegen von Spannungen beliebig beeinflussen könnte. Davon verspricht man sich schnellere, leistungsfähigere Bauelemente, die gleichzeitig mehrere Funktionen in sich vereinigen, wie Speicherung, Logik und Kommunikation für die Datenverarbeitung. Noch in weiter Zukunft und zudem bislang spekulativ und kontrovers diskutiert wird die Nutzung manipulierter Spins für das sogenannte Quantencomputing. Beim Quantencomputer würden die beiden Spinzustände nicht länger nur als ,0' oder ,1' eines üblichen Bits dienen. Die quantenmechanische Überlagerung der beiden Spinzustände ergibt ein Quantenbit, in dem eine kontinuierliche Variation der Spinrichtung möglich ist. Rechner, die auf solchen Prinzipien aufbauen, könnten bei spezifischen Problemstellungen ein großes Maß an Parallelverarbeitung erreichen. Bereits heute berichten Forscher auf diesem Gebiet von Suchalgorithmen, die für das vollständige Durchsuchen großer Datenbanken von praktischer Bedeutung wären, sowie von Algorithmen zur Bestimmung von Primzahlen, die mit Hilfe eines Quantenrechners dramatisch schneller durchgeführt werden könnten. Die kühnsten, aber heute technisch noch nicht realisierbaren Vorschläge basieren auf beweglichen Elektronen in Nanostrukturen aus Halbleitermaterialien, die mit elektrischen Spannungen steuerbar sind und die den Spin isolierter Atomkerne sondieren und kontrollieren könnten.
Diese Zukunftsvisionen haben weltweit einen Wettlauf nach neuen Techniken ausgelöst, mit denen man die Richtung von Kernspins über mobile Ladungsträger in möglichst kleinen Bauelementen kontrollieren bzw. erkennen kann. Fortschritte sind dabei aber nur möglich, wenn man in diesen Nanostrukturen mehr über die mikroskopischen Wechselwirkungen zwischen den Spins der Atomkerne bzw. der Elektronen weiß und es gelingt, diese Spins von außen zu steuern. An solchen grundlegenden Fragen arbeiten Jurgen Smet und seine Kollegen am Stuttgarter Max-Planck-Institut für Festkörperforschung gemeinsam mit Wissenschaftlern der Gruppe von Gerhard Abstreiter am Garchinger Walter Schottky Institut der Technischen Universität München. Ihnen ist es jetzt gemeinsam gelungen, die Stärke der Spin-Wechselwirkung im Magnetfeld zwischen Elektronen und Atomkernen eines Halbleiterkristalls allein durch elektrische Widerstandsmessungen zu bestimmen (siehe Abb. 1).
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