Chemiker der Universität Göttingen und des
Boston College in Massachusetts (USA) haben eine neue Methode zur gezielten Erzeugung stabiler kugelförmiger
Kohlenstoffmoleküle - so genannter
Fullerene oder auch "Buckyballs" - entwickelt. Die Forschungsergebnisse werden in der jüngsten Ausgabe des Wissenschaftsmagazins Science vorgestellt. Die symmetrisch aus fünf- und sechsgliedrigen Ringen von Kohlenstoffatomen aufgebauten millionstel Millimeter kleinen
Moleküle können, chemisch leicht verändert, elektrischen
Strom ohne Widerstand bei einer vergleichsweise hohen
Temperatur leiten. In ihre industrielle Nutzung setzen Computerhersteller, Werkstoffexperten, aber auch
Mediziner große Hoffnungen. Bisher war der Herstellungsprozess jedoch mühsam, die Ausbeute gering. Mit dem in Göttingen und Boston entwickelten Verfahren läßt sich die
Produktion von Fullerenen erstmals kontrolliert planen. Prof. Dr. Armin de Meijere vom Institut für
Organische Chemie der Georg-August-Universität: "Die Ausgangsmaterialien sind kommerziell erhältlich, das Verfahren ist jederzeit reproduzierbar." Bisher haben Wissenschaftler "Buckyballs" hergestellt, indem
Graphit - neben den
Diamanten eine natürliche Existenzform reinen Kohlenstoffs - in einer Heliumathmosphäre im elektrischen Lichtbogen ver-dampft wurde. Die im dabei entstandenen Ruß erzielte Ausbeute von Fullerenen, eine Mischung von C60- und C70-Molekülen, betrug lediglich 14 Prozent. Jetzt haben die Chemiker aus den USA und aus Göttingen ein Verfahren entwickelt, mit dem sie in zwölf Schritten kontrolliert C60-Moleküle -
Fullerene aus 60 Kohlenstoff-Atomen - produzieren können. Der letzte Schritt wird dabei am Institut für
Organische Chemie der Universität Göttingen von Prof. de Meijere und seinem Mitarbeiter Hermann Wegner vollzogen: Im Hochvakuum bricht bei 1.100 Grad Celsius eine in den elf vorausgegangenen Arbeitsschritten vorbereitete Verbindung aus
Kohlenstoff,
Chlor und
Wasserstoff im Bruchteil einer Sekunde auseinander: Die Chlor- und Wasserstoffatome werden freigesetzt, und die Kohlenstoffatome schließen sich zu den erwünschten stabilen Ringen der Fullerene zusammen. Angestoßen wurde die Zusammenarbeit mit dem amerikanischen Chemiker Lawrence T. Scott und seinem Team durch einen Auslandsaufenthalt von Hermann Wegner, der Teile seiner Diplomarbeit am
Boston College im Rahmen eines Fulbright-Stipendiums schrieb. Inzwischen wurde die Zusammenarbeit ausgebaut, Prof. Scott war als Humboldt-Preisträger bereits dreimal zu Gast am Göttinger Institut. Dass die Universität Göttingen neben der fachlichen Expertise die besser geeignete Kombination aus
Vakuum-Anlage und Hochtemperaturofen anbieten kann, wertet Prof. de Meijere als "Glückfall" in dieser internationalen Forschungskooperation. 1985 haben die Chemiker Robert F. Curl (USA), Harald W. Kroto (Großbritannien) und Richard E. Smalley (USA) erstmals ein Fulleren hergestellt. Sie hatten
Graphit mit Hilfe eines Lasers erhitzt und verdampft. Mit den winzigen Mengen von so isolierten C60-Molekülen führten sie erste Experimente durch. Die drei Forscher erhielten 1996 für diese Leistung den
Nobelpreis. Seither haben weitere Experimente die Hoffnungen bestärkt, die stabilen Kohlenstoffmoleküle - chemisch leicht modifiziert und als winzige
Trägersubstanz verwendet - industriell nutzbar zu machen. Als so genannte
Supraleiter können sie
Strom mit einem elektrischen Widerstand von Null leiten, diamantharte Oberflächen bilden, als
Katalysatoren wirken oder zu fotoleitenden Filmen verarbeitet werden. Die
NASA testet C60 als Treibstoff für Ionentriebwerke, wie sie zur Steuerung von Satelliten eingesetzt werden. Auch in der
AIDS-Forschung setzt man auf C60-Moleküle als Trägerstoff für neue
Präparate. Ihren Namen erhielten die Kohlenstoffmoleküle wegen ihrer Ähnlichkeit zu den aus Fünf- und Sechsecken zusammengesetzten Kuppelbauten des amerikanischen Architekten Richard Buckminster Fuller (1895 bis 1983). (Science, Bd. 295, S.1500)