Neue Röntgenmethode gibt Einblick in anwendungsrelevante Iridiumverbindungen

Exotische Eigenschaften

17.04.2019 - Deutschland

Wissenschaftler von DESY und dem London Centre for Nanotechnology am University College London haben eine neue Methode entwickelt, um die erstaunlichen Eigenschaften einer speziellen Klasse von Iridiumoxiden zu untersuchen, den sogenannten Iridaten. Das Team um Hauptautor Pavel Alexeev von der Dynamics Beamline P01 an DESYs Röntgenlichtquelle PETRA III stellt das Verfahren im Fachblatt „Scientific Reports“ vor.

Viele Oxide aus bestimmten Gruppen der Übergangsmetalle (chemische Elemente, die eine unvollständige d-Elektronenschale besitzen) sind bekannt für ihre exotischen magnetischen und elektronischen Eigenschaften. Diese lassen sich qualitativ auf das Zusammenspiel verschiedener Wechselwirkungen zwischen der Ladung der Elektronen, ihrem magnetischen Moment und ihrer Bahnbewegung im Kristall sowie in den Orbitalen der Atome zurückführen. Die relative Stärke der verschiedenen Wechselwirkungen bestimmt, ob ein solches Oxid magnetisch ist, ein Isolator, ein elektrischer Leiter oder gar ein Supraleiter. Von besonderem Interesse sind dabei vor allem sogenannte 4d- und 5d-Übergangsmetalle.

Durch von außen angelegte elektrische und magnetische Felder oder durch Ausübung von Druck auf das Material lassen sich die Eigenschaften vieler dieser Oxide gezielt einstellen. Das macht sie interessant für zahlreiche Anwendungen in der Mikro- und Nanoelektronik, der Datenspeicherung oder der Informationsverarbeitung. Bei den Oxiden der 5d-Übergangsmetalle wie beispielsweise Tantal, Wolfram, Osmium und Iridium ist dieses Verhalten stark ausgeprägt. Bemerkenswert sind darunter die Oxide des Iridiums, da sie zum Beispiel ihren Magnetismus unter Druck verlieren oder auch unter Normalbedingungen unerwartete magnetische Strukturen ausbilden. Auch wenn einige Eigenschaften schon seit längerem bekannt sind, steht die genaue Aufklärung dieses Verhaltens noch am Anfang. Umso wichtiger ist es, Methoden zu entwickeln, die detaillierte Einblicke in diese Materialien liefern.

Eine besonders gut geeignete, hoch empfindliche Methode für das Studium der elektronischen und magnetischen Eigenschaften von Festkörpern ist die Kernresonanzstreuung von Synchrotronstrahlung (NRS). Bei dieser Methode werden die Atomkerne bestimmter Isotope als lokale Sonden für die Materialeigenschaften eingesetzt. Aufgrund ihrer zahlreichen Anwendungsmöglichkeiten gibt es dafür an der Strahlführung P01 bei PETRA III spezialisierte Messstationen, die jedes Jahr von vielen Wissenschaftlern aus aller Welt genutzt werden. Die Methode ermöglicht unter anderem eine präzise Bestimmung der Ausrichtung von atomaren magnetischen Momenten. Die NRS ist daher komplementär zu anderen Röntgentechniken und ermöglicht – im Gegensatz zu Neutronentechniken – die Untersuchung kleiner Proben, beispielsweise bei der Anwendung auf Proben unter Hochdruck.

In diesem Experiment wurde NRS erstmals angewendet, um die besonderen magnetischen Eigenschaften von Oxiden des Iridiums (Ir) zu untersuchen. Die Methode nutzt dabei das Isotop 193Ir als Sonde für die magnetische Ausrichtung der Iridiumatome in der Probe. Dieses Isotop wurde damit erstmals für die NRS-Methode eingesetzt. „Die Erweiterung der NRS-Technik auf ein anderes Isotop eröffnet ein völlig neues Feld mit vielen Anwendungen in verschiedenen Forschungsbereichen“, sagt Hans-Christian Wille, verantwortlicher Wissenschaftler an der Strahlführung P01. „Die relativ hohe Übergangsenergie von 73 Kilo-Elektronenvolt in diesem Isotop war eine Herausforderung, da die Intensität der Photonen sowie die Detektoreffizienz mit zunehmender Photonenenergie stark abnehmen. Daher waren das Design einer effizienten Röntgenoptik und ein neues schnelles Detektorsystem entscheidend für den Erfolg der Experimente.“

In der vorliegenden Arbeit wurden besondere Oxide des Iridiums untersucht, die in der sogenannten Perovskit-Struktur vorliegen. Unter diesen ist das Strontion-Iridium-Oxid Sr2IrO4 ein prominentes Beispiel für die neue Klasse der sogenannten Spin-Orbit-Mott-Isolatoren. Dieses Oxid hat hinsichtlich seines Magnetismus und seiner elektronischen Struktur große Ähnlichkeiten mit dem Lanthan-Kuprat La2CuO4, der Ausgangsverbindung von Hochtemperatursupraleitern. Aus diesem Grund könnte die genaue Untersuchung von Sr2IrO4 Einblicke in den Ursprung und Mechanismus der Hochtemperatursupraleitung in den Kupraten liefern.

In diesem Experiment wurde die magnetische Struktur von Sr2IrO4, insbesondere die Ausrichtung der magnetischen Momente in dessen geschichteter Perovskitstruktur bestimmt. Dabei wurde überraschenderweise bei der Auswertung der NRS-Daten eine außerplanmäßige Komponente der magnetischen Momente entdeckt, die vermutlich auf einen Mangel an Sauerstoffatomen in der Kristallstruktur zurückzuführen ist. Dieser Zusammenhang soll in weiteren Studien im Detail untersucht werden.

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