Nano-Burger mit vielversprechenden Macken

DESY-Team findet überraschende Defekte in winzigen Metallteilchen und könnte dadurch die Entwicklung effizienterer Katalysatoren beflügeln

27.06.2025

Katalysatoren sind essenzielle Hilfsmittel für die Industrie: Sie beschleunigen chemische Reaktionen und machen sie dadurch erst wirtschaftlich. Oft bestehen sie aus nanometerkleinen Partikeln, an denen sich Moleküle anlagern und dadurch leichter an ihre Reaktionspartner binden können. Die Katalysatoren selbst gehen dabei unverändert aus dem Geschehen hervor. Eine Klasse von Nanokatalysatoren besteht aus den Edelmetallen Platin und Rhodium und kommt unter anderem in der Abgasreinigung, der Wasserstoff-Erzeugung und in Brennstoffzellen zum Einsatz.

Science Communication Lab for DESY

Der Nano-Burger in Aktion: Die beiden „Hälften“ des Platin-Rhodium-Katalysators interagieren mit Reagenzien.

Das Team um den DESY-Physiker Andreas Stierle untersucht solche Platin-Rhodium-Katalysatoren bereits seit einiger Zeit. Als die Fachleute sie erneut mit Röntgenlicht analysierten, stießen sie auf eine Überraschung: Einige Nanoteilchen sind keine winzigen, homogenen Klümpchen, sondern bestehen aus einer oberen und einer unteren Hälfte – ähnlich wie die beiden Hälften eines Burger-Brötchens. Beide Hälften sind zwar aneinandergebunden. Doch wie diese Verbindung im Detail aussieht und welchen Einfluss sie auf die katalytische Wirkung der Nanoteilchen hat, war unklar.

Um das herauszufinden, konzipierte Stierles Team ein Experiment an der Europäischen Synchrotronstrahlungsquelle ESRF in Grenoble. „Sie erzeugt einen extrem gebündelten Röntgenstrahl, mit dem sich einzelne Nanoteilchen untersuchen lassen“, erläutert Stierle. Konkret nutzten die Forschenden eine Methode namens Bragg Coherent Diffraction Imaging (BCDI). Hierbei erzeugt der Röntgenstrahl beim Durchleuchten des Nanoteilchens ein spezielles Interferenzmuster, das von einem Detektor gemessen wird. „Anschließend lässt sich mit Hilfe spezieller Algorithmen rekonstruieren, wie die Atome im Kristallgitter angeordnet sind und an welchen Stellen es Abweichungen von der regulären Struktur gibt – Verzerrungen, Defekte und Versetzungen im Kristallgitter“, erklärt Ivan Vartanyants, der die Rekonstruktionen angeleitet hat.

Das Besondere: Die Messungen fanden statt, während die Nano-Katalysatoren aktiv waren: Die Arbeitsgruppe leitete einen Gasstrom aus Kohlenmonoxid und Sauerstoff zu den Nanoteilchen, an deren Oberflächen sich das Gas zu CO2 umwandeln konnte – bei Temperaturen von mehr als 400 Grad Celsius. „Das waren extrem schwierige Experimente, wir mussten die Position der Nanopartikel bis auf zehn Nanometer genau stabil halten, sodass der Röntgenstrahl stets den gesamten Partikel ausleuchten konnte“, erläutert Erstautorin Lydia Bachmann, die im Rahmen ihrer Promotion zu diesem Thema forscht. „Dazu mussten wir die Bedingungen absolut stabil halten.“

Das unerwartete Resultat: Die Fachleute entdeckten dort, wo die Ober- und die Unterhälfte der Nanoburger aufeinandertreffen, ausgeprägte Kristalldefekte. Die beiden Grenzflächen passten also nicht perfekt übereinander, stattdessen fehlen an den Außenkanten Atome. Durch diese Lücken verschieben sich auch alle Atome in der Nähe, was das Kristallgitter deutlich verzerrt und versetzt.

Der Clou: Auf die katalytischen Fähigkeiten der Nanoburger wirken sich diese „Macken“ überaus positiv aus. „Die Defekte stellen einzigartige Absorptionsplätze für Moleküle dar“, erklärt Co-Autor Thomas Keller. „An ihnen bleiben Moleküle wie Sauerstoff sehr gut haften, was die Wirkung des Katalysators erhöht.“ Perspektivisch könnten die Erkenntnisse der Industrie helfen, effizientere und wirksamere Katalysatoren zu entwickeln – und zwar durch ein gezieltes „Defekt-Engineering“, das an den Nanoteilchen möglichst viele Ankerpunkte für die umzusetzenden Moleküle schafft.

In diese Richtung möchte das Team weiterarbeiten. Unter anderem würden die Wissenschaftler:innen gerne herausfinden, wie die Defekte in den Nanoburgern überhaupt entstehen. „Die Herstellung der Partikel erfolgt bei Temperaturen von 1000 Grad Celsius, und wir vermuten, dass sich die Defekte beim schnellen Abkühlen der Teilchen bilden“, so Teamleiter Andreas Stierle. „Weil die Partikel so klein sind, scheint in ihnen ein thermischer Stress zu entstehen, und der bringt die Stapelfolge der Kristallebenen dann durcheinander.“ Würde man diesen Prozess im Detail verstehen, ließen sich womöglich durch ein Optimieren des Herstellungsprozesses gezielt Kristalldefekte hervorrufen, die die katalytische Wirkung der Nanoteilchen besonders steigern.

In einigen Jahren könnten hierbei Experimente an DESYs geplanter Röntgenlichtquelle PETRA IV helfen. Denn die Nachfolgerin des heutigen PETRA-III-Rings wird Röntgenstrahlen erzeugen, die erheblich feiner und gebündelter sind als an der ESRF. Damit ließen sich deutlich kleinere Nanoteilchen unter die Lupe nehmen als dies bislang möglich ist. „Die Nanoburger, die wir in Grenoble untersucht haben, waren etwa 100 Nanometer groß“, erläutert Stierle. „Die Katalysatorteilchen, die heute in der Industrie zum Einsatz kommen, messen in der Regel nur 10 bis 20 Nanometer. PETRA IV würde uns erlauben, künftig auch solche industrierelevanteren Partikel zu analysieren und dabei live zu verfolgen, wie sie funktionieren.“

Originalveröffentlichung

Weitere News aus dem Ressort Wissenschaft

Meistgelesene News

Weitere News von unseren anderen Portalen