18.11.2019 - Technische Universität Berlin

Neuer KI-Algorithmus bestimmt chemische Struktur anhand der gewünschten Funktion

Künstliche Intelligenz auf Schrödingers Spuren

Künstliche Intelligenz (KI) und Algorithmen für maschinelles Lernen werden heute routinemäßig verwendet, um unser Kaufverhalten vorherzusagen, Reiserouten vorzuschlagen oder Bilder und Gesichter zu erkennen. In der Forschung etabliert sich KI gerade als ein entscheidendes Instrument zur Unterstützung von wissenschaftlichen Entdeckungen. So wird KI in der Chemie immer häufiger eingesetzt, um die Ergebnisse von Experimenten oder Simulationen vorherzusagen. Um dies zu erreichen, muss KI in der Lage sein, die grundlegenden Gesetze der Physik systematisch mit einzubeziehen. Ein interdisziplinäres Team von Wissenschaftlern der Universität Warwick, der TU Berlin und der Universität Luxemburg hat jetzt einen KI-Algorithmus entwickelt, der es unter anderem erlaubt, anhand der gewünschten chemischen Eigenschaften einer Substanz, die dafür notwendige Struktur zu bestimmen. Eine Fähigkeit, die besonders bei der Entwicklung von neuartigen Medikamenten und Materialien eine wichtige Rolle spielen könnte.  

Der von den Chemikern, Physikern und Informatikern entwickelte Algorithmus ist in der Lage, die Quantenzustände eines Moleküls, die sogenannte Wellenfunktion, die alle Eigenschaften dieses Moleküls bestimmen, zu berechnen. Dazu musste die KI lernen, grundlegende Gesetze der Physik zu verinnerlichen und Gleichungen der Quantenmechanik - wie zum Beispiel die Schrödingergleichung - zu lösen.

Das Lösen dieser und ähnlicher Gleichungen auf herkömmliche Weise erfordert enorme Rechnerkapazitäten und vor allem auch Monate an Rechnerzeit. „Genau hier liegt normalerweise der Engpass bei der rechnergestützten Entwicklung neuer, speziell für medizinische und industrielle Anwendungen entwickelter Moleküle“, so Prof. Dr. Klaus-Robert Müller, Professor für maschinelles Lernen an der TU Berlin. Der neu entwickelte Algorithmus kann dagegen auf einem Laptop oder Mobiltelefon innerhalb von Sekunden genaue Vorhersagen liefern.

„Die Veröffentlichung ist das Ergebnis einer dreijährigen gemeinsamen Anstrengung und erforderte Informatik-Know-how, um einen Algorithmus zu entwickeln, der flexibel genug ist, um die Form und das Verhalten von Wellenfunktionen zu erfassen, aber auch Chemie- und Physik-Know-how, um quantenchemische Daten zu verarbeiten und dazustellen“, so Dr. Reinhard Maurer vom Fachbereich Chemie der Universität Warwick.

Klaus-Robert Müller ergänzt: „Diese interdisziplinäre Arbeit ist ein wichtiger Fortschritt, denn sie zeigt, dass KI-Methoden die schwierigsten Aspekte der quantenchemischen Simulation erlernen können. Dazu gehört auch das sogenannte inverse Design, das besonders für die Medikamentenherstellung ein langjähriger Traum der Pharmakologie und der Chemie ist.“ Von inversem Design spricht man, wenn man eine bestimmte chemische Eigenschaft eines Moleküls vorgibt und aus diesen Vorgaben die entsprechende molekulare Struktur entwirft und optimiert. Das interdisziplinäre Team geht davon aus, dass sich KI-Methoden zukünftig weiter als wesentlicher Bestandteil in der Computerchemie und der Molekularphysik etablieren werden und auch nachhaltig das inverse molekulare Design ermöglichen werden.

„Diese Arbeit ermöglicht eine neue Ebene des Wirkstoffdesigns, bei der sowohl die elektronischen als auch die strukturellen Eigenschaften eines Moleküls zusammengeführt werden können, um die gewünschten Anwendungskriterien zu erreichen“, so Professor Dr. Alexandre Tkatchenko vom Fachbereich Physik der Universität Luxemburg.

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    Dr.-Ing. Henriette Nowothnick

    Jg. 1980, studierte Chemie an der Technischen Universität Berlin. Sie promovierte 2010 in der Arbeitsgruppe von Prof. R. Schomäcker über die Reaktionsführung der Suzuki-Kupplung in Mikro­emulsionen mit dem Ziel des Katalysator Re-using und der Produktisolierung. 2011 bis 2012 arbeitete sie ... mehr

    Dipl. Ing. Sonja Jost

    Jg. 1980, studierte Wirtschafts­ingenieurwesen / Technische Chemie an der Technischen Universität Berlin. Von 2006 bis 2011 erhielt sie verschiedene Forschungsstipendien im Bereich der homogenen chiralen Katalyse. 2011 bis 2012 war sie Projektleiterin eines Drittmittelprojekts zum Thema „Ka ... mehr

    Prof. Dr. Vera Meyer

    Vera Meyer, geb. 1970, studierte Biotechnologie an der Universität ­Sofia und der Technischen Universität Berlin, wo sie 2001 promovierte. Nach Forschungs- aufenthalten am Imperial College London und der Universität Leiden habilitierte sie 2008 an der Technischen Universität Berlin. Von 200 ... mehr

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