Blauer Phosphor: Wie aus einem Halbleiter ein Metall wird

09.11.2020 - Deutschland

Blauer Phosphor, ein atomar dünner synthetischer Halbleiter, wird metallisch, sobald man ihn in eine Doppellage überführt. Dies hat ein interdisziplinäres Team um Prof. Thomas Heine von der TU Dresden und Prof. Gabriel Merino von dem mexikanischen Forschungsinstitut Cinvestav Merida herausgefunden. Damit beschreiben die Wissenschaftler erstmals die Möglichkeit, kleinstskalige, hocheffiziente Transistoren, die aus nur einem Element bestehen, zu konstruieren. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen wurden als Highlight-Artikel in der aktuellen Ausgabe des Fachjournals „Physical Review Letters“ veröffentlicht.

Copyright: Jessica Arcudia

Auf Hochleistungsrechnern haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler eine zweischichtige Bienenwabenstruktur mit kleinen Auswölbungen aus blauem Phosphor modelliert. Diese Verbindung ist äußerst stabil und besitzt durch den geringen Abstand zwischen den beiden Schichten metallische Eigenschaften.

Das chemische Element Phosphor gilt als eines der essenziellsten Elemente für alle Lebewesen. Phosphorverbindungen sind stark am Aufbau und der Funktion von Organismen beteiligt, jeder Mensch trägt knapp ein Kilo davon in seinem Körper. Doch auch außerhalb unseres Körpers sind wir tagtäglich von Phosphaten und Phosphonaten umgeben: in unserer Nahrung, in Wasch- und Düngemitteln oder in Medikamenten.

Phosphor kommt in mehreren Modifikationen vor, die äußerst unterschiedliche Eigenschaften aufweisen. Unter Normalbedingungen unterscheidet man dabei den weißen, den violetten, den roten und den schwarzen Phosphor. Im Jahr 2014 modellierte ein Team der Michigan State University, USA erstmals auch den „Blauen Phosphor“, der zwei Jahre später experimentell hergestellt werden konnte.

Blauer Phosphor ist ein sogenanntes zweidimensionales (2D) Material. Aufgrund seiner einschichtigen bienenwabenartigen Struktur erinnert es an das wohl bekannteste 2D-Material: Graphen. Analog zu diesem benannte man es anschließend auch Blaues Phosphoren (engl. blue phosphorene). Dieses neuartige Halbleiter-Material wurde seitdem als äußerst vielversprechender Kandidat für optoeletronische Bauelemente untersucht.

Wie alle Bauelemente müssen auch diese mit Strom versorgt werden, der üblicherweise über Metallelektroden in das Material gelangt. An der Schnittstelle Metall-Halbleiter treten gezwungenermaßen Energieverluste auf, man spricht auch von der Schottky-Barriere.

Der Dresdner Chemiker Prof. Thomas Heine hat nun in Kooperation mit mexikanischen Wissenschaftlern eine einzigartige Entdeckung gemacht: Dem interdisziplinären Team gelang es, mittels hochgenauen Berechnungen auf Hochleistungscomputern eine zweischichtige Bienenwabenstruktur aus blauem Phosphor zu modellieren. Diese zweischichtige Verbindung besitzt kleine Auswölbungen und ist äußerst stabil. Wie die Wissenschaftler überraschend feststellten, verfügt sie aufgrund des äußerst geringen Abstands zwischen den zwei Schichten über metallische Eigenschaften.

Blaues Phosphoren ist folglich als Einzellage halbleitend, als Doppellage jedoch metallisch. Metallische 2D-Materialien sind sehr selten, und es wurde zum ersten Mal ein reinelementares Material entdeckt, dass einen Halbleiter-Metall-Übergang von der Monolage zur Doppellage aufweist. Somit läßt sich aus nur einem chemischen Element ein elektronisches oder optoelektronisches Bauelement für die Anwendung in Transistoren oder Photozellen realisieren. Da in diesen Bauelementen keine Schnittstelle zwischen Halbleiter und Metall auftritt, wird die Schottkybarriere stark verringert und eine höhere Effizienz ist zu erwarten.

„Stellen Sie sich vor, Sie legen zwei Lagen Papier aufeinander, und auf einmal glänzt das Doppelblatt metallisch wie Goldfolie. Genau das ist uns gelungen. Diese Arbeit unterstreicht die Bedeutung von Interdisziplinarität in der Grundlagenforschung. Mit einem topologisch-mathematischen Modell konnten wir mit Hilfe der theoretischen Chemie ein neues Material im Computer entwerfen und dessen physikalische Eigenschaften vorhersagen. Anwendungen im Bereich der Nano- und Optoelektronik sind zu erwarten,“ erläutert Prof. Heine.

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