Links- oder rechtshändig? Nanostrukturen mit Licht entlarvt

Chancen für die Biologie und Materialwissenschaft

06.08.2025
Rebecca Büchner / ETH Zurich

Eine neue Methode erkennt die Links- oder Rechtshändigkeit von Nanostrukturen und stellt sie in einem Bild dar. Im Bild: Verschiedene Abbildungen von links- und rechtshändigen Strukturen.

Wie unterscheiden sich links- und rechthändige Moleküle? Forschende der ETH Zürich machen mit einer neuen bildgebenden Methode sichtbar, was bisher nur als Durchschnitt messbar war, und schaffen neue Möglichkeiten für Biologie und Materialwissenschaft.

Warum riechen Pfefferminze und Kümmel so unterschiedlich, obwohl ihre Hauptduftstoffe fast identisch sind? Warum kann ein Medikament Leben retten, während sein Spiegelbild wirkungslos oder sogar schädlich ist? Die Antwort liegt in der Chiralität, der «Händigkeit» von Molekülen. So wie sich die linke und rechte Hand gleichen, aber nicht deckungsgleich übereinanderliegen können, gibt es von vielen Molekülen eine linke und eine rechte Version. Und diese wirken oft völlig unterschiedlich.

Ein Forschungsteam der ETH Zürich um Romain Quidant, Professor für Nanophotonik, hat ein Verfahren entwickelt, mit dem sich Chiralität mit nur einem einzigen Bild räumlich sichtbar machen lässt. Bisher liess sich Chiralität meist nur über die gesamte Probe hinweg messen und das Ergebnis war jeweils ein Durchschnittswert.

«Mit der neuen Methode können wir erkennen, in welchen Bereichen unserer Probe links- respektive rechtshändige Strukturen auftreten, und dies in einem einzigen Bild», erklärt Rebecca Büchner, Doktorandin bei Quidant und Erstautorin der in der Fachzeitschrift «Nature Photonics» erschienenen Studie.

Licht als Schlüssel zur Händigkeit

Für die Studie verwendete Rebecca Büchner eigens hergestellte Nanostrukturen aus Gold – also künstlich erzeugte chirale Proben –, die von Jose García-Guirado, dem Labormanager in Quidants Gruppe, gefertigt wurden. Büchner wusste daher genau, wie viele links- und rechtshändige Anteile im Bild zu erwarten waren. Um die Chiralität dieser Proben sichtbar zu machen, setzte sie eine neu entwickelte bildgebende Methode ein, die wie eine hochspezialisierte Kamera funktioniert. Das Besondere daran ist ihre Fähigkeit, zu erfassen, wie die Probe mit unterschiedlichen Formen von zirkular polarisiertem Licht wechselwirkt.

Zirkular polarisiertes Licht ist eine Form von Licht, bei der sich die Wellen spiralförmig nach links oder rechts drehen, während sie sich fortbewegen. Viele chirale Moleküle in der Natur reagieren unterschiedlich auf diese Lichtarten: Sie absorbieren beispielsweise linksgedrehtes Licht stärker als rechtsgedrehtes oder drehen dessen Schwingungsrichtung leicht.

Im Gegensatz zu herkömmlichen Verfahren, die zwei getrennte Messungen mit links- und rechtszirkular polarisiertem Licht benötigen, erfasst Büchners Methode beide Drehrichtungen gleichzeitig. Möglich wird dies durch einen raffinierten optischen Aufbau: Nachdem das Licht die Probe durchlaufen hat, wird es mithilfe von Referenzstrahlen in seine links- und rechtshändigen Komponenten aufgespalten. Dabei entstehen Überlagerungsmuster, die sichtbar machen, wie jede Lichtart mit der Probe interagiert hat – und so die Chiralität abbilden.

Eine normale Kamera würde aus dieser Überlagerung nur ein unlesbares Bild aufnehmen. Doch dank der neuen Methode liest ein Computer die Informationen präzise aus. Das Ergebnis sind farbige Karten, die zeigen, welche Teile der Probe links- oder rechtshändig sind. «Wir konnten sogar Buchstaben wie ‹L› und ‹R› sichtbar machen, die aus unterschiedlich händigen Nanostrukturen aufgebaut waren», berichtet Büchner.

Chancen für die Biologie und Materialwissenschaft

«Das grösste Potenzial unserer Methode sehe ich überall dort, wo Chiralität räumlich variiert – und das bisher kaum messbar war», sagt Jaime Ortega Arroyo, Senior Scientist und Mitbetreuer des Projekts. Besonders in der Materialwissenschaft sei das ein bekanntes Problem: Chirale Materialien lassen sich schwer räumlich auflösen, etwa wenn unterschiedliche Zonen in einem Werkstoff jeweils eine andere Händigkeit aufweisen. Die neue Methode erlaubt es nun, diese Unterschiede direkt sichtbar zu machen.

Für biologische Proben sehen die Forschenden ebenso Potenzial. So könnten etwa gesunde und kranke Gewebe nicht nur in ihrer Zellstruktur, sondern auch in ihrer Chiralität voneinander abweichen. Mit dem bildgebenden Ansatz wäre es möglich, solche Unterschiede direkt im Gewebe zu erkennen, ohne Färbung oder mechanischen Eingriff. «Das gilt nicht nur für Moleküle, sondern auch für grössere Strukturen wie Teile von Zellen, deren Chiralität bislang kaum untersucht werden konnte», führt Büchner aus.

Auch in der Pharmazie sind Anwendungen denkbar: Viele Medikamente bestehen aus chiralen Molekülen, von denen nur eine Variante wirksam ist. Eine Methode, die die Händigkeit in der Fläche auflöst, könnte helfen, komplexe Gemische besser zu analysieren, oder neue Diagnoseverfahren zu entwickeln.

Im Labor den Feinschliff machen

Noch befindet sich die neue bildgebende Methode im Forschungsstadium. Die gemessenen Signale sind bisher eher niedrig und störanfällig. «Unsere grösste Herausforderung war es, das Rauschen im Bild und andere störende Effekte so weit zu senken, dass wir sicher sein konnten, dass die Signale tatsächlich von der Chiralität stammen», sagt Ortega Arroyo.

In einem nächsten Schritt möchten die Forschenden das System empfindlicher machen. Bis zur Anwendung in der realen Welt sind die Forschenden noch weit entfernt. Vorerst geht es vielmehr darum, geeignete Anwendungen zu identifizieren und die Methode dafür anzupassen. «Wir wissen, was unsere Plattform leisten kann, aber andere Forschende wissen viel besser, welche weiteren Anwendungsfälle man damit am besten untersuchen könnte», sagt Büchner.

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