Borophen lenkt Licht im Nanomaßstab
Kieler Forschungsteam beobachtet erstmals besondere Lichtausbreitung in atomdünnem Metall – mit Potenzial für kompakte optische Bauteile
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Heute erforschen es Elektronenmikroskope, morgen könnte es selbst Teil von Mikroskopen sein: Ein Metall aus nur einer Atomlage lenkt Licht gezielt in seiner Fläche und bündelt es auf engstem Raum – sogar bei sichtbaren Wellenlängen. Ein Team der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) hat den Effekt erstmals in Borophen nachgewiesen.

Die optische Antwort einer Borophen-Schicht wird mit Kathodolumineszenz-Spektroskopie untersucht.
Y. Abdi

Rasterelektronenmikroskop-Aufnahme von Borophen auf einem gelochten Gold-Transmissionselektronenmikroskop-Gitter.
N. Talebi


Das zweidimensionale Metall, seit weniger als zehn Jahren bekannt, könnte als Plattform für neuartige Licht-Materie-Wechselwirkungen dienen.
So entstehen die besonderen Lichtwellen
Die Grundlage dieses Effekts liegt in einer besonderen Wechselwirkung zwischen Licht und Elektronen. Lichtwellen verbinden sich im Material mit kollektiven Elektronenschwingungen – den Plasmonen. So entsteht eine „Hybridwelle“ aus Licht und Materie. In Borophen zeigt sich eine spezielle Form: hyperbolische Polaritonen. Sie breiten sich je nach Richtung unterschiedlich schnell und stark aus – ähnlich wie Autos, die in Nord-Süd-Richtung freie Fahrt haben, in Ost-West-Richtung aber Tempo 30 fahren müssen.
Die Atomstruktur von Borophen zwingt Elektronen in bevorzugte Bahnen. Diese Richtungsabhängigkeit, Anisotropie genannt, bündelt Licht extrem und steuert es unterhalb der Beugungsgrenze – feiner, als normalerweise möglich. Das ist ein entscheidender Vorteil, wenn optische Systeme immer kleiner und präziser werden sollen.
Um den Effekt nachzuweisen, regte das Kieler Team Borophen im Elektronenmikroskop mit Elektronenstrahlen an und analysierte das entstehende Licht mit Nanometer-Präzision.
Borophen reiht sich in seltene Materialgruppe ein
Hyperbolische Polaritonen wurden schon früher in Materialien beobachtet, die im Infrarot- oder Terahertz-Bereich arbeiten. Borophen hingegen wirkt im sichtbaren Bereich – und eröffnet damit neue Möglichkeiten für die Nanophotonik.
„Borophen ist metallisch, atomar dünn und von Natur aus anisotrop“, sagt Professorin Nahid Talebi vom Institut für Experimentelle und Angewandte Physik der CAU, die die Studie gemeinsam mit Gastwissenschaftler Professor Yaser Abdi leitete. „Diese Eigenschaften machen es zu einer völlig neuen Plattform, um sichtbares Licht im Nanomaßstab zu führen. Wir können die Lichtausbreitung auf Weisen kontrollieren, die mit anderen Materialien bisher nicht möglich waren.“
Die Arbeit legt Grundlagen für künftige Technologien. Möglich wären besonders kompakte photonische Bauelemente, hochempfindliche optische Sensoren oder Mikroskopieverfahren, die über die klassische Auflösungsgrenze hinausgehen. Da Borophen im sichtbaren Bereich arbeitet, passt es auch zu den Wellenlängen vieler Quantenkommunikationssysteme.