Antiferromagnetisches Netzwerk mit Drehrichtung
Winzige Magnetstrukturen in einer ultradünnen Manganschicht zeigen eine ungewöhnliche Drehrichtung – nun erklären Forschende aus Kiel und Hamburg, warum
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Ein üblicher Kühlschrankmagnet ist ferromagnetisch: die winzigen magnetischen Momente der Atome zeigen alle in dieselbe Richtung. Deshalb lassen sich die magnetischen Kräfte solcher Magnete leicht nutzen, etwa im Kompass, in Sensoren oder Datenspeichern.
Doch es gibt auch Materialien, in denen die magnetischen Momente benachbarter Atome entgegengesetzt ausgerichtet sind. Diese heißen Antiferromagnete. Sie bilden nach außen kein messbares Magnetfeld und galten lange als schwer nutzbar. Für diese Entdeckung erhielt der französische Physiker Louis Néel 1970 den Nobelpreis in Physik.
Heute gilt diese Klasse von Materialien als vielversprechend. In der Magnetoelektronik, einem Forschungsfeld, das elektrische Ströme nutzt, um magnetische Zustände zu manipulieren und auszulesen, könnten Antiferromagnete eine zentrale Rolle spielen. Gleichzeitig bieten komplexe magnetische Netzwerke ganz neue Möglichkeiten für neuartige, unkonventionelle Computer. Sie reagieren besonders stark auf elektrische Ströme und können dreidimensionale magnetische Strukturen ausbilden, in denen die atomaren Momente in verschiedene Raumrichtungen zeigen.
Forschende der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) und der Universität Hamburg haben jetzt in Nature Communications gezeigt, wie in einer ultradünnen Manganschicht ein komplexes antiferromagnetisches Netzwerk entsteht. An den Kreuzungspunkten der Domänenwände richten sich die atomaren magnetischen Momente in eine definierte räumliche Drehrichtung. Die Studie liefert so direkte Einblicke in die inneren Strukturen von Antiferromagneten und eröffnet Perspektiven für neue magnetische Bauelemente.
Die dunkelblauen (hellblauen) Kugeln stellen die Mangan-Atome der oberen (unteren) Lage des Films dar. Die Pfeile zeigen die Ausrichtung der „atomaren Stabmagnete“ der Mangan-Atome. Die Ebene der Atome in der oberen und unteren Lage sind durch transparente graue Flächen dargestellt. Die Ausrichtung der „atomaren Stabmagnete“ entlang der Achsen eines Tetraeders ist durch die grauen Tetraeder gezeigt. Die topologische orbitale Magnetisierung (TOM) in der oberen und unteren Lage ist parallel zueinander ausgerichtet (s. kleine Pfeile)
© Mara Gutzeit, Uni Kiel
Ein Blick ins Nanomagnetnetzwerk
Das Forschungsteam untersuchte ein Modellsystem, aus nur zwei Lagen von Manganatomen, auf einen Iridiumkristall aufgebracht. Mit spin-polarisierter Rastertunnelmikroskopie konnten sie die magnetische Ausrichtung der Atome bis auf die atomare Skala sichtbar machen.
Projektleiterin Dr. Kirsten von Bergmann der Universität Hamburg erklärt: „In den Rastertunnelmikroskopie-Bildern tauchte ein komplexes magnetisches Netzwerk aus Domänenwänden zwischen antiferromagnetisch geordneten Bereichen auf. Wir konnten sehen, dass es durch die implantierten Argon-Blasen erzeugt wurde. An den Kreuzungspunkten von drei Domänenwänden haben wir zum Einen eine Händigkeit der Struktur gefunden, zum Anderen haben wir herausgefunden, dass die „atomaren Stabmagnete“ hier in die Richtungen der Ecken eines Tetraeders zeigen, sie also einen Winkel von ca. 109,47° zueinander haben.“
Mit aufwendigen quantenmechanischen Rechnungen, für die Supercomputer des Verbundes für Nationales Hochleistungsrechnen (NHR) genutzt wurden, zeigte das Kieler Team, dass sich die oberste Lage der Mangan-Schichten aufgrund von magnetischen Austauschkräften leicht seitlich verschiebt. „An den Stellen, wo Bereiche mit unterschiedlicher magnetischer Ausrichtung aufeinandertreffen, baut sich Spannung auf. Dies kann die beobachtete bevorzugte, strukturelle Drehrichtung (Händigkeit) an den Kreuzungspunkten erklären,“ sagt Professor Stefan Heinze von der CAU. Die Kieler Forschenden klärten zudem auf, wie an diesen Stellen eine dreidimensionale magnetische Struktur entsteht und wie beide Manganschichten miteinander gekoppelt sind.
Die Verzweigungen der Domänenwände entstehen an den Argon-Blasen nicht zufällig. Die lokale Spannung im Material begünstigt eine bestimmte Art der magnetisch bedingten Scherbewegung des Films. Die Rechnungen zeigen außerdem, dass die dreidimensionale magnetische Ordnung an diesen Kreuzungspunkten besondere, sogenannte topologische Eigenschaften besitzt. Damit liefert die Studie einen grundlegenden Nachweis dafür, dass sich die enge Verbindung zwischen Struktur und Magnetismus gezielt nutzen lässt, um komplexe antiferromagnetische Netzwerke zu erzeugen.