Stefan Hell: Beharrlich vom Exoten zum Nobelpreisträger
(dpa) Inzwischen kann Stefan Hell eine lange Liste von Auszeichnungen vorweisen. Doch viele Jahre hatte er gegen heftige Widerstände zu kämpfen. In seinen Anfangsjahren als Wissenschaftler galt er als Exot. Der Außenseiter ist jetzt Nobelpreisträger.
«Er hatte ein paar Ideen, aber niemand hat geglaubt, dass so etwas möglich sein könnte», sagt Astrid Gräslund, Sekretärin des Stockholmer Nobel-Komitees. Seine größte Auszeichnung erhält der 51-Jährige nicht in seinem Stammgebiet Physik, sondern in der Chemie. Sein Forschungsgebiet ist die Optik, im Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie in Göttingen arbeitet er eng mit Biologen und Chemikern zusammen.
Hell verbrachte seine Kindheit in einer kleinen Ortschaft in Rumänien, er besuchte ein deutschsprachiges Gymnasium. 1978 wanderte seine Familie nach Ludwigshafen aus. Zu Beginn seiner Arbeit als Wissenschaftler war sein Forschungsgebiet nicht in Mode, seine Ideen und Theorien fanden in der Fachwelt kaum Aufmerksamkeit. Renommierte Zeitschriften wie «Nature» und «Science» beachteten ihn zunächst nicht.
«Die Optik, mit der ich mich beschäftige, war im Grunde Physik des 19. Jahrhunderts, da war eigentlich schon alles abgegrast - dachte man zumindest», sagte Hell 2009. Nach Studium und Promotion in Heidelberg hangelte er sich zunächst von 1993 bis 1996 mit Stipendien in Finnland und in Oxford durch. Mit 10.000 D-Mark, die ihm seine Großeltern nach der Dissertation als Startkapital geschenkt hatten, meldete Hell seine Entdeckung als Patent an.
«Er ist jemand, der absolut über Grenzen geht und der auch Grenzen sprengt», sagt Otmar Wiestler, Vorstandsvorsitzender des Deutschen Krebsforschungszentrums über Hell. Der Physiker entwickelte ein Lichtmikroskop, das Strukturen mit einer Auflösung sichtbar macht, mit der sich Details in lebenden Zellen erkennen lassen. «Der Blick direkt in den Organismus öffnet eine neue Tür in der Neurologie und kann Erkenntnisse über Krankheiten wie Alzheimer, Autismus oder Parkinson liefern», sagt der Forscher.
Erst als er 1994 überraschend ein Angebot für eine Professur am Kings College in London erhielt und danach neun Rufe nacheinander, versuchte die Max-Planck-Gesellschaft, ihn mit allen Mitteln in Deutschland zu halten. Letztlich habe ihn die interdisziplinäre Aufstellung in Göttingen und die Qualität der Kollegen dort überzeugt, sagt Hell. «Jetzt findet man seine Mikroskope auf der ganzen Welt», sagt Gräslund.
Kollegen beschreiben den Physiker als bescheidenen, präzise denkenden Menschen. «Er ist ein sehr kollegialer Mensch, ein präziser Denker und er hat eine sehr klare Struktur», sagt Johann Engelhardt, der am Deutschen Krebsforschungsinstitut (DKFZ) in Heidelberg mit Hell zusammenarbeitet.
Hell lebt mit seiner Frau, einer Ärztin, und drei kleinen Kindern in Göttingen. Wenn ihm neben Forschung und Familie noch Zeit bleibt, greift er zum Saxofon.
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