Aufbruch in die Nano-Ära: Nanomaterialien auf dem Weg in unser Alltagsleben

Zwischen Grundlagenforschung und Modeerscheinung

06.11.2014 - USA

Moderne Festplatten benötigen für jedes Informationsbit nur eine Fläche von wenigen Quadratnanometern; vor Sonnenbrand schützen wir uns mit Cremes, die Nanopartikel aus Titandioxid oder Zinkoxid enthalten. Fängt jetzt das Nano-Zeitalter an? Dieser Frage geht Younan Xia (Georgia Institute of Technology, USA) im Editorial einer neuen Ausgabe der Zeitschrift Angewandte Chemie nach, die sich mit dem Thema Nanowissenschaften befasst.

„Bevor ‚Nano‘ ein Modewort wurde, hatten die Menschen schon jahrzehnte-, wenn nicht jahrhundertelang Nanomaterialien genutzt“, sagt Xia. „Beispielsweise in Abgaskatalysatoren, die in den siebziger Jahren entwickelt wurden.“ Auch unsere Zellen enthalten nanoskalige Strukturen, z.B. zur Herstellung von Proteinen oder zur Energieerzeugung. Diese werden schon lange intensiv erforscht. An sich ist „Nano“ also nicht neu. Aber es gibt noch viel zu entdecken, zu erforschen – und in neue Anwendungen zu übertragen.

„Der Quanteneffekt ist das wahrscheinlich aufregendste Geschenk der Nanowelt“, so Xia. „So emittieren etwa Nanopartikel aus demselben Feststoff, so genannte Quantenpunkte, je nach Partikelgröße unterschiedlich farbiges Licht.“ Dieses und weitere Phänomene könnten für künftige elektronische oder photonische Bauteile genutzt werden. Anwendungen profitieren aber auch, wenn die Eigenschaften beim Verkleinern gleich bleiben: Obwohl die kritischen Maße eines Transistors in den letzten fünfzig Jahren von einigen Hundert Mikrometern auf 22 Nanometer geschrumpft sind, funktionieren sie immer noch nach den gleichen physikalischen Prinzipien.

Eine hochspezifische Diagnostik und Therapie auf der Molekülebene ermöglicht die Nanomedizin. So sollen hocheffiziente Krebs-Therapeutika biologische Barrieren überwinden, bösartige Zellen erkennen und selektiv angreifen. Xia: „Eine große Zahl an Wirkstofftransportsystemen ist inzwischen für die klinische Krebstherapie zugelassen.“ Ein so komplexes Gebiet wie die Nanomedizin erfordere interdisziplinäre Teams aus Chemie, Physik, den Ingenieurwissenschaften, Biologie, Genetik, Proteomik, Radiologie, Onkologie und dem Gesundheitswesen – eine der größten Herausforderungen sei, diese zu einer echten Zusammenarbeit zu bewegen.

Der Weg vom Labor zur Industrieanwendung ist für viele Nanomaterialien noch weit, denn eine Herstellung genau definierter Nanopartikel im großtechnischen Maßstab ist extrem schwierig. Die Mikrofluidtechnik eröffnet hier vielversprechende Alternativen für die skalierbare, verlässliche und kostengünstige Produktion.

Im Sonderheft der Angewandten Chemie sollen Übersichtsartikel führender Experten einen Überblick über jüngste Entwicklungen und wichtige Themen vermitteln: Harald Krug beschäftigt sich mit „Nanosicherheitsforschung – sind wir auf dem richtigen Weg?“, Jens Rieger und Kollegen mit der „Bildung von Nanopartikeln und Nanostrukturen – CaCO3, Zement und Polymere aus Sicht der Industrie“, Reinhard Nießner diskutiert „Die vielen Gesichter von Ruß: Charakterisierung verbrennungsmotorischer Ruß-Nanopartikel“ und Frank von der Kammer und Kollegen fordern: „Finde den Unterschied: synthetische und natürliche Nanopartikel in der Umwelt – Freisetzung, Verhalten und Verbleib“. Xia und seine Mitarbeiter steuern „Maßgeschneiderte Nanopartikel für den Wirkstofftransport in der Krebstherapie“ bei.

„Egal ob Elektronik, Photonik, Informationsspeicherung, Kommunikation, Katalyse, Energie, Medizin, Sicherheitstechnik, Umweltschutz, Kosmetik und sogar das Bauwesen, sie alle könnten von Nanomaterialien profitieren“, schließt Xia. „Erst wenn dieses relativ neue und noch scheinbar bizarre Nano-Reich so weit ist, eine positive und nachhaltige Wirkung auf alle Aspekte unserer Gesellschaft auszuüben, können wir den Beginn der Nano-Ära erklären.“

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