Oldenburg. Sedimente, Schlickablagerungen des Mittelmeeres, bilden für den Forscher ein unschätzbares
Archiv, in dem sich vergangene Klimaschwankungen Südeuropas und des afrikanischen Kontinents verewigt
haben. Die Geochemiker Prof. Dr. Hans-Jürgen Brumsack und Dr. Rolf Wehausen vom Oldenburger Institut
für
Chemie und
Biologie des Meeres (ICBM) konnten dies anhand chemischer
Analysen von 2,5 bis 3
Millionen Jahre alten Sedimenten eindeutig belegen. Zusammen mit ihrem niederländischen Kollegen Dr.
Lucas
Lourens, Universität Utrecht, stellen sie ihre richtungweisenden Forschungsergebnisse in der neuesten Ausgabe
des renommierten Wissenschaftsjournals Nature (Ausgabe 409, Nr. 6823) vor.
Die Wissenschaftler erklären die zyklischen Änderungen der chemischen Zusammensetzung der
Sedimentkerne, die im Rahmen des internationalen Tiefseebohrprogramms "Ocean Drilling Program" (ODP)
aus dem östlichen Mittelmeer gewonnen wurden, mit einer regelmäßigen Abfolge trockenen und feuchten
Klimas. Dieser Wechsel schlug sich einerseits in häufigen Staubstürmen in der Sahara nieder, andererseits im
Anschwellen der Wasserführung des Nils und anderer Flüsse.
Die klimatisch bedingten Zyklen der Mittelmeersedimente sind eine Reaktion auf Änderungen der
Sonneneinstrahlung auf die nördliche Erdhalbkugel. Die saisonale Verteilung der Sonneneinstrahlung variiert im
Rhythmus von etwa 22.000 Jahren. Ursache sind geringfügige Abweichungen der Umlaufbahn der Erde um die
Sonne und Verschiebungen der Erdrotationsachse. Astronomen haben die Schwankungen der
Erdbahnparameter - auf Basis bestimmter Hypothesen - für vergangene Jahrmillionen errechnet. Einen direkten
Beweis für die Richtigkeit ihrer Berechnungen aber konnten sie nicht liefern. So ist etwa Einfluss der Eiszeiten ungeklärt, die wegen des
abgesunkenen Meeresspiegels und gewachsener Eispakete auf den nördlichen Kontinenten ein verändertes Rotationsverhalten der Erde zur
Folge gehabt haben müssen.
Die Utrechter und Oldenburger Geowissenschaftler konnten mit ihren geochemischen Datenreihen nun erstmals einen Beweis für die Richtigkeit
der astronomischen Berechnungen liefern. Sie können ferner eindeutig belegen, dass die Eiszeiten einen bestimmenden Einfluss auf die
Erdbahnparameter ausüben. Die Rotationsgeschwindigkeit der Erde hat im Verlauf der vergangenen Jahrmillionen insgesamt leicht abgenommen,
während der Eiszeiten aber wurde der Trend offenbar unterbrochen. Mögliche Erklärungen sind Verformungen des Erdkörpers durch die
gigantischen Eismassen und verringerte Gezeitenkräfte des gesunkenen Meeresspiegels.
Die gemeinsame Studie der Utrechter Paläontologen und Oldenburger Geochemiker ist wegweisend. Sie ermuntert zu weiteren Überprüfungen
astronomischer und geophysikalischer Hypothesen auf der Basis geowissenschaftlicher Erhebungen. Je präziser die astronomischen Gleichungen
sind, desto genauer wird die astronomisch Berechung der Sonneneinstrahlungskurve und damit die Uhr, die zur Altersbestimmung von
Sedimenten benutzt werden kann. Eine exaktere Kenntnis astronomischer Größen ist bedeutsam für die Berechnung der natürlichen
Klimaentwicklung auf der Erde, die mit der vom Menschen beeinflussten Entwicklung konfrontiert werden kann. Nur mit diesem kombinierten
Wissen ist eine langfristige Klimavorhersage möglich.