Neues EU-Projekt sorgt für Transparenz bei schädlichen Chemikalien

02.10.2017 - Deutschland

Das gerade gestartete Projekt LIFE AskREACH sensibilisiert europaweit Bevölkerung, Handel und Industrie für sogenannte „besonders besorgniserregende Stoffe“ in Erzeugnissen. Über eine Smartphone-App können sich Verbraucher über solche Stoffe informieren oder Lieferanten dazu anfragen. Die europäische Chemikalienverordnung REACH setzt dazu den gesetzlichen Rahmen. Die Sonderforschungsgruppe Institutionenanalyse (sofia) der Hochschule Darmstadt (h_da) bringt im Projekt ihre Expertise zum Chemikalien- und Produktrecht ein. Sie hatte mit einem durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Vorgänger-Projekt bereits einen Grundstein für das neue Vorhaben gelegt.

„Besonders besorgniserregende Stoffe“ – oder Substances of Very High Concern, SVHC – sind beispielsweise krebserregend, hormonell wirksam oder solche, die als besonders kritisch für die Umwelt angesehen werden. Die europäische Chemikalienverordnung REACH legt Informationspflichten für SVHC fest. Ist ein SVHC in einem Erzeugnis in einer Konzentration über 0,1 % enthalten, muss diese Information von jedem Lieferanten an jeden kommerziellen Kunden in der Lieferkette weitergegeben werden. Verbraucher sind auf Anfrage ebenfalls zu informieren und sollen damit in die Lage versetzt werden, bewusste Kaufentscheidungen zu treffen.

Um das REACH-Verbraucherrecht in der europäischen Bevölkerung bekannter zu machen, startet das Umweltbundesamt zusammen mit 20 Projektpartnern aus 13 EU-Mitgliedstaaten das EU LIFE Projekt AskREACH. Das Ziel: Bürger sollen befähigt werden, bewusstere Kaufentscheidungen zu treffen. Gleichzeitig sollen Lieferanten sensibilisiert werden, ihre Informationspflichten angemessen zu erfüllen. Um den Informationsfluss zwischen Verbrauchern und Industrie zu besonders besorgniserregenden Stoffen verbessern zu können, ist also zugleich eine Verbesserung der Kommunikation in der Lieferkette nötig: Da etwa bei einer Outdoor-Jacke bis zum einzelnen Faden im Reißverschluss die Anwesenheit von SVHC bekannt sein muss, stehen Unternehmen vor großen Herausforderungen.

Hier unterstützt die Forschungsgruppe sofia der h_da: Sie übernimmt als Expertin für Lieferkettenkommunikation die wissenschaftliche Begleitung. „Für eine lückenlose Zurückverfolgung von Stoffen in der Lieferkette brauchen Unternehmen ein ausgefeiltes Chemikalienmanagement-System“, erläutert Prof. Dr. Martin Führ vom Fachbereich Gesellschaftswissenschaften die Herausforderung. Gemeinsam mit seinen Kollegen von sofia hilft er Unternehmen, diese zu bewältigen. Dabei greift er auf seine fachliche Expertise als ehemaliges Mitglied im Verwaltungsrat der Europäischen Chemikalienagentur und bei der Erforschung der Verbraucherschutz-App „ToxFox“ des BUND zurück. sofia wird den Erfolg des neuen Forschungsprojekts überwachen – und dabei unter anderem klären, ob App-Nutzer weniger Produkte kaufen, die SVHC enthalten und ob Unternehmen in größerem Maße auf diese Stoffe verzichten.

Im Verlauf des Projektes wird eine Datenbank entwickelt, die von den Erzeugnis-Lieferanten mit Informationen über besonders besorgniserregende Stoffe gefüllt werden kann. Einige große Firmen haben bereits ihre Unterstützung für das Projekt zugesagt und werden die Vorreiter sein, die zuerst ihre Daten eingeben. Die Datenbank wird mit einer Smartphone-App gekoppelt, die an alle EU-Sprachen adaptiert werden kann. EU-Bürger können die App nutzen, um Informationen zu SVHC in Erzeugnissen zu erhalten. Sollten die gewünschten Informationen in der Datenbank noch nicht vorhanden sein, wird automatisch eine Anfrage an den Erzeugnis-Lieferanten gesendet. Ein weiteres Tool soll Lieferanten bei der Kommunikation in der Lieferkette unterstützen. In dem Projekt sind zwei Kampagnen in allen teilnehmenden EU-Staaten zur Sensibilisierung von Verbrauchern und Erzeugnis-Lieferanten vorgesehen. Die Kampagnen werden außerdem in mindestens fünf EU-Staaten übertragen, die keine Projektpartner sind. Die Projektergebnisse werden allen EU Mitgliedstaaten zur Verfügung stehen.

Projektpartner sind Behörden, wissenschaftliche Einrichtungen und Nichtregierungs-Organisationen aus dem Bereich Umwelt und Verbraucher. In Deutschland sind das neben der h_da das Umweltbundesamt (UBA), das Baltic Environmental Forum Germany (BEF DE) und der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), auf europäischer Ebene das European Environmental Bureau (EEB). Das Projekt wird im Rahmen des EU LIFE Programms gefördert. Die Projektlaufzeit reicht vom 1. September 2017 bis zum 30. August 2022.

Bis eine europäische Datenbank aufgebaut ist und Apps aus dem AskREACH Projekt verfügbar sind, können Verbraucher die Apps benutzen, die in Dänemark (TjekKemien) und Deutschland (Scan4Chem, ToxFox) bereits angeboten werden.

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