Chrom-VI-freies Verfahren zum Galvanisieren von ABS-Oberflächen

Nicht-toxische Alternative zu konventionellen Verfahren erfolgreich im Labormaßstab erprobt

06.11.2017 - Deutschland

Wissenschaftler um Dr. Dieter Lehmann aus dem Leibniz-Institut für Polymerforschung Dresden e.V. (IPF) haben ein Verfahren zum Galvanisieren von ABS (Acrylnitril-Butadien-Styrol)-Kunststoffen entwickelt, das auf den Einsatz von Chromschwefelsäure, d.h. auf gefährliche Chrom-VI-Verbindungen, verzichtet und auch keine anderen Beizverfahren nötig macht. Das im Labormaßstab erfolgreich getestete und zum Patent angemeldete Verfahren ist somit eine umweltfreundliche Alternative zum etablierten galvanischen Beschichtungsverfahren und lässt sich relativ leicht in existierende Produktionslinien integrieren.

Jan2575, pixabay.com, CC0

Um z.B. im Automobilsektor Anwendung zu finden, müssen nach dem neuen Verfahren galvanisierte ABS-Oberflächen eine solche Qualität aufweisen wie die metallisierten Armaturenbrettelemente im Bild.

ABS-Kunststoffe werden in großem Maßstab in der Automobilindustrie sowie zur Herstellung von Armaturen eingesetzt. Für dekorative Zwecke werden sie vielfach durch Galvanisieren oberflächenveredelt. Zur Erzeugung einer dünnen metallischen Schicht auf der Oberfläche ist nach dem klassischen Verfahren eine Vorbehandlung erforderlich. Bei dieser wird die Oberfläche mit Chromschwefelsäure gebeizt, um winzige Hohlräume zu schaffen, in denen Metallteilchen als Keime eingelagert werden. Mittels dieser Metallkeime wird dann stromlos eine mechanisch fest verankerte, leitfähige Schicht erzeugt, die Voraussetzung für das eigentliche galvanische Beschichtungsverfahren ist.

Seit 21. September 2017 sind Chrom-VI-Verbindungen nach einer Verordnung der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) wegen ihrer toxischen und krebserregenden Eigenschaften verboten. Durchweg geeignete Ersatzverfahren stehen bisher nicht zur Verfügung. Das klassische Galvanisierungsverfahren mit der Chromschwefelsäurebeize kann unter strengen Auflagen zeitlich begrenzt mit Sondergenehmigungen noch solange eingesetzt werden, bis ein gleichwertiges Ersatzverfahren entwickelt wurde.

Vor diesem Hintergrund ist das neue Verfahren aus dem IPF von hohem Interesse für industrielle Anwender. Innovativ ist vor allem, dass anstelle eines Beizverfahrens zur Vorbehandlung eine Oberflächenmodifizierung mit Polymeren zum Einsatz kommt. Spezielle funktionelle Gruppen in diesen Polymeren sorgen zum einen für deren feste Kopplung an die Kunststoffoberfläche, und zum anderen gewährleisten sie - wie im klassischen Verfahren die Hohlräume - die stabile Bindung von Edelmetallsalzen, aus denen Edelmetallkeime zur Abscheidung der mechanisch stabil fixierten Leitschicht für das eigentliche Galvanisieren erzeugt werden. Dieses kann nachfolgend mittels der industriell etablierten Bädertechnologie erfolgen.

Im IPF wurden im Labormaßstab Formteile aus kommerziell verfügbarem ABS-Granulat hergestellt, mit handelsüblichen Chemikalien nach dem neuen Verfahren vorbehandelt und beschichtet. Die Qualität der abgeschiedenen Leitschicht erwies sich in ersten Prüfungen mit den in der Industrie üblichen Tests (Gitterschnitt- und Klebebandtest) als sehr gut. Abplatzungen traten nicht auf.

Alle Ergebnisse sprechen also für eine Überführbarkeit in die Praxis und zur Integration des neuen Vorbehandlungsverfahrens in existierende Produktionslinien, so die Einschätzung von Dr. Lehmann. In Zusammenarbeit mit Galvanikexperten sind für dieses, speziell auf ABS-Kunststoffe zugeschnittene Verfahren noch Optimierungsarbeiten vorzunehmen.

Aufgrund der individuellen Struktur von Polymerwerkstoffen ist diese Technologie nicht einfach auf andere Kunststoffe übertragbar. Daher wird intensiv auch an Lösungen für andere Kunststoffe wie Polycarbonat (PC) und Polyetheretherketon (PEEK) gearbeitet.

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