Polyphenole verleihen dem
Rotwein nicht nur sein charakteristisches herbes
Aroma, sie sind es auch, die den neuerdings so guten Ruf dieses Genussmittels
als wahrer Gesundheitstrank begründet haben: Sie sollen
Herzkrankheiten und
Atherosklerose vorbeugen. Französische Forscher um Stéphane Quideau haben nun
weitere Vertreter der Polyphenole in Rotwein entdeckt, die anticancerogene
Wirkung haben könnten.
Polyphenole sind eine große Substanzgruppe, zu der Gerb- und
Farbstoffe vieler
Früchte und
Gemüse zählen, wie die
Tannine und
Flavonoide. "Etliche dieser
Stoffe haben bereits Einzug in die
Medizin gehalten, das Potenzial ist aber noch
bei weitem nicht ausgeschöpft," sagt Quideau. In Rotwein haben er und sein Team
nun eine weitere interessante Verbindung ausgemacht: Acutissimin A ist ein so
genanntes Flavano-Ellagitannin und hat damit beides, einen Flavonoid- und einen
Tannin-Anteil. Erstmals wurde der Stoff in der Eichenart Quercus acutissima
gefunden, von der er seinen Namen hat. Was Acutissimin A so attraktiv macht, ist
seine inhibitorische Wirkung auf die DNA-Topoisomerase II. Denn dieses Enzym ist
ein Angriffspunkt für die
Krebstherapie. Acutissimin A inhibiert das Enzym 250
mal stärker als das klinisch verwendete Antitumormittel Etoposid.
Der französischen Gruppe gelang es, Acutissimin A halbsynthetisch im Labor
herzustellen, indem sie das Flavonoid Catechin und das Tannin Vescalagin
verknüpften. Wird ein Isomer von Catechin, Epicatechin, eingesetzt, entsteht
eine eng verwandte, bisher unbekannte Verbindung, die die Forscher
"Epiacutissimin" tauften. Auch diese neue Substanz konnte das Team später in
Rotwein-Extrakten identifizieren.
Und wie kommen Acutissimin und Epiacutissimin in den Rotwein? Die
Reifung in
Eichenfässern macht's! Quideau: "Der Traubensaft bringt die flavonoiden
Vorstufen Catechin und Epicatechin mit. Während der
Lagerung extrahiert die
alkoholische Flüssigkeit dann ein ganzes Bouquet an Substanzen aus den
Eichenfässern, darunter auch den benötigten Reaktionspartner Vescalagin."
So weit, dem Getränk nun eine vorbeugende Wirkung gegen
Krebs zu attestieren,
wollen Quideau und seinen Kollegen nicht gleich gehen. Aber man darf gespannt
sein, welche Überraschungen der Rotwein als Nächstes für uns parat hat. Die
Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass die edlen Tropfen noch weitere
Gerbstoff-Hybridmoleküle mit interessanten pharmakologischen Wirkungen in petto
haben.