Wissenschaftler erzeugten völlig neues Bauprinzip bei Kristallen aus geladenen Polymerkügelchen

29.10.2004

Physiker der Universität Kiel haben kugelförmige Kristalle aus elektrisch geladenen Polymerkügelchen erzeugt, die ein völlig anderes Bauprinzip besitzen als gewöhnliche Kristalle. Die sogenannten "Coulomb Balls" sind in Form von ineinander geschachtelten Zwiebelschalen aufgebaut. Kristalle wie etwa das Silizium haben dagegen ihre Atome in Reihe und Glied geordnet.

Die Coulomb Balls ordnen Partikel in Mustern aus Sechsecken und Fünfecken an, um eine gekrümmte Oberfläche zu bilden. Dieses Bedeckungsprinzip kennen wir von den Nähten eines Fußballs, wo auch fünf Sechsecke um ein Fünfeck angeordnet sind.

Kristalle aus Polymerkügelchen von etwa 5 Mikrometer Durchmesser werden bereits seit 10 Jahren intensiv untersucht. Dabei gelang es aber nur, flache Strukturen mit wenigen Kristalllagen zu erzeugen. Der Grund dafür ist die Schwerkraft, die dafür sorgt, dass die Kristalle unter dem Eigengewicht zusammensinken. "Die nun produzierten, runden Kristalle bilden einen neuen Ausgangspunkt, um die elektrische Wechselwirkung an dreidimensionalen Objekten zu erforschen", erklärt Professor Piel.

Die neu entdeckten "Coulomb Balls" bestehen aus einigen Hundert bis einigen Tausend Polymerkügelchen, die typischerweise untereinander einen Abstand von 0,7 mm einnehmen. Weil der Abstand zwischen den Teilchen damit mehr als 100 mal größer ist als ihr Durchmesser, wird dieser Kristall völlig transparent. Man kann also die Bewegung einzelner Teilchen im Inneren verfolgen, ohne dass es störende Abschattungen gibt. In atomaren Kristallen wie Silizium oder Gold lassen sich nur die Atome an der Oberfläche beobachten, da die Atome dicht gepackt sind. Anhand der "Coulomb Balls" können Wissenschaftler nun auch Phänomene wie Wellenbewegungen oder Schmelzprozesse im Inneren von Kristallen untersuchen.

Die Polymerkügelchen sind in einem Plasma, d.h. einer elektrischen Gasentladung, gefangen, das für die elektrische Aufladung der Kügelchen sorgt und den Kristall mit elektrischen Feldern einschließt. Um den Einfluss der Schwerkraft auszuschalten, benutzten Oliver Arp und Dr. Dietmar Block, die die Experimente durchführten, einen Trick: Sie setzten die Kristalle einem Wärmestrom aus, der der Schwerkraft entgegengesetzt ist. Um die winzigen Polymerkügelchen schweben zu lassen, genügten bereits Temperaturunterschiede von 30 bis 50 Grad.

Die Coulomb Balls sind nach dem französischen Physiker Charles Augustin de Coulomb (1736-1806) benannt, der das Gesetz für die Kräfte zwischen elektrisch geladenen Körpern gefunden hatte.

Die Kieler Arbeitsgruppe von Prof. Alexander Piel und Prof. André Melzer von der Universität Greifswald berichten in der aktuellen Ausgabe des amerikanischen Fachjournals Physical Review Letters über ihre Entdeckungen.

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