Industriegase - Chancen und Risiken für Investoren in China

13.02.2006

PricewaterhouseCoopers analysiert in der Serie "China - Risks and Rewards" die Marktpotenziale und - risiken der wichtigsten Wirtschaftszweige. Der dritte Teil der Reihe befasst sich mit dem Markt für Industriegase und den Perspektiven, die sich den großen westlichen Herstellern im Reich der Mitte bieten.

Markt für Industriegase wächst zweistellig

China ist derzeit nach den USA und Deutschland der drittgrößte Abnehmer für Industriegase. Rund vier bis fünf Prozent der weltweit erzeugten Menge werden an chinesische Unternehmen geliefert, Tendenz weiter steigend. Der Absatzmarkt für Industriegase wächst analog zum industriellen Sektor Chinas, der auf absehbare Zeit Wachstumsraten von jährlich 10 Prozent aufweisen dürfte. Industriegase werden unter anderem zur Metallerzeugung, in der Chemie- und Pharmaindustrie, der Elektronikindustrie und bei der Lebensmittelherstellung eingesetzt. All diese Branchen wachsen in China schneller als in der übrigen Welt. "Kein Hersteller von Industriegasen, der auf allen wichtigen Märkten vertreten sein will, kommt an China vorbei", stellt Dr. Volker Fitzner fest, verantwortlicher Partner bei PwC für den Bereich Chemicals in Deutschland.

Gute Ausgangsbedingungen für westliche Hersteller

Ausländische Industriegaserzeuger profitieren davon, dass es kaum große chinesische Anbieter gibt. Da erheblicher Bedarf an Industriegasen besteht, sind die administrativen Hürden für den Markteintritt vergleichsweise niedrig. So gibt es kaum Vorschriften für die Standortwahl, Einschränkungen bei Beteiligungen an chinesischen Tochtergesellschaften oder staatliche Regulierungen der Kundenbeziehungen. Westliche Hersteller von Industriegasen können ihre Produktionsstätten daher in unmittelbarer Nähe zum Abnehmer ansiedeln (On-Site-Produktion) oder die Belieferung über Pipelines sicherstellen.

Langfristige Lieferverträge sichern Investitionen ab

Die meist beträchtlichen Investitionen sind in der Regel durch langfristige Lieferverträge mit Laufzeiten von 3 bis 15 Jahren abgesichert. Auch Joint Venture-Geschäftsmodelle von ausländischen Unternehmen untereinander (beispielsweise zwischen Praxair und Air Liquide) oder mit chinesischen Partnern dienen zur Risikominimierung. Kurzfristige Schwankungen der Energiepreise werden durch so genannte "Take-or-Pay"-Verträge, die bestimmte Mindestabnahmemengen vorschreiben, an die Abnehmer weiter gegeben. "Allerdings bleibt abzuwarten, ob derartige Vereinbarungen mit chinesischen Kunden im Zweifelsfall ebenso haltbar sind wie mit Abnehmern in den USA oder Europa", so Dr. Volker Fitzner.

Zu den wichtigsten deutschen Herstellern von Industriegasen in China zählen die Messer Gruppe und Linde. Während Messer bereits seit zehn Jahren in China präsent ist und bis 2005 rund 200 Millionen US-Dollar investierte, ist der chinesische Markt für Linde mit einem Umsatz von knapp 20 Millionen Euro im Jahr 2004 noch vergleichsweise neu, steht aber klar im strategischen Fokus des Managements. Der erste ausländische Gasehersteller in China war die britische BOC Group, die sich mit rund 1.250 Mitarbeitern in neun Tochterunternehmen und 20 Joint Ventures fest etabliert hat. Mit Air Liquide, Praxair und Air Products sind weitere wichtige Anbieter vertreten, die zum Teil große Wachstumshoffnungen an den chinesischen Markt knüpfen: Air Liquide beispielsweise hat seinen Umsatz in China im Jahr 2004 um 40 Prozent gesteigert und will bis 2009 über 600 Millionen US-Dollar in dem Land investieren.

Rasantes Wachstum birgt Risiken

Das rasante Wachstum der chinesischen Wirtschaft birgt allerdings auch Risiken, mit denen sich Investoren auseinander setzen müssen. Von besonderer Bedeutung für die energieintensive Industriegasherstellung sind die Engpässe bei der Stromversorgung. Wachsende Umweltprobleme und teilweise äußerst problematische Arbeitsbedingungen können die politische und wirtschaftliche Stabilität in einigen Regionen bedrohen. Auch die Gefahr einer Überhitzung der chinesischen Wirtschaft besteht nach wie vor.

Engpässe bei der Energieversorgung

Die Investitionen in die chinesische Energieversorgung haben seit Mitte der 90er Jahre nicht mehr mit dem industriellen Wachstum Schritt gehalten. Mittlerweile kämpfen alle industriellen Zentren des Landes mit Versorgungsengpässen. Abhilfe soll der Drei-Schluchten-Staudamm bringen, der nach der geplanten Fertigstellung im Jahr 2009 so viel Energie wie 15 Kernkraftwerke erzeugen soll. Zudem will die chinesische Regierung mittelfristig 40 neue Kernkraftwerke bauen.

Derzeit ist die chinesische Stromerzeugung noch zu 80 Prozent von Kohle abhängig. Ein Großteil der Kohle wird im Landesinneren gefördert und muss über weite Entfernungen mit der Eisenbahn transportiert werden. Trotz aller Anstrengungen und einer Fördermenge von geschätzt einer Milliarde Tonnen im Jahr 2005 herrscht ein chronischer Strommangel, der viele Fabriken regelmäßig zu Schichtverlagerungen und Produktionsunterbrechungen zwingt. "Für die Gaseindustrie ist der Strommangel derzeit sicherlich eines der größten Wachstumshemmnisse", so Dr. Volker Fitzner.

Potenzial für soziale Konflikte

Die exzessive Nutzung von Kohle und anderen natürlichen Ressourcen hat die Umweltverschmutzung zu einem gravierenden gesellschaftlichen Problem gemacht. Bauern demonstrieren, da Bergbau und Industrieabfälle das für die Bewässerung ihrer Felder benötigte Wasser kontaminieren und zunehmend Land für die Industrialisierung in Beschlag genommen wird.

Auch die mangelhafte Arbeitssicherheit in vielen chinesischen Betrieben und Kohleminen wird mehr und mehr öffentlich kritisiert. Nach offiziellen Angaben - die Dunkelziffer dürfte noch höher liegen - kamen im Kohlebergbau allein 2004 über 6.000 Arbeiter ums Leben. Nach Schätzungen von Regierungsmitarbeitern müssten etwa 7.000 Minen aus Sicherheitsgründen geschlossen wer¬den.

Makroökonomische Risiken

Je länger der Boom in China andauert, desto größer werden die Sorgen vor einer Überhitzung der Wirtschaft und einem abrupten Ende des Wachstums. Auf dem Immobilienmarkt gibt es bereits Anzeichen für eine deutliche Überbewertung und auch der Anstieg der Verbraucherpreise hat sich 2005 nur leicht verlangsamt. Die chinesische Regierung reagierte zwar mit Zinserhöhungen und einer Steuer auf Kapitaleinkünfte, jedoch muss sich noch zeigen, ob mit diesen Maßnahmen die Immobilienspekulation auf Dauer in den Griff zu bekommen ist. Für die Industriegashersteller könnten die administrativen Eingriffe in den Immobilienmarkt zum Problem werden. Denn die Bauindustrie verbraucht rund 25 Prozent der chinesischen Stahlerzeugung, und die Stahlindustrie wiederum ist ein wichtiger Abnehmer von Industriegasen.

Nachhaltige Investitionsstrategie zahlt sich langfristig aus

Wer in China investieren will, sollte sich von den genannten Risiken nicht abschrecken lassen, sondern ihnen mit einer nachhaltigen Strategie begegnen. Dabei haben westliche Unternehmen dank strenger Umwelt- und Arbeitsschutzauflagen und dem daraus resultierenden Technologievorsprung einen Wettbewerbsvorteil gegenüber chinesischen Konkurrenten. Angesichts der angekündigten Anstrengungen der chinesischen Regierung, die Luftreinheit im Hinblick auf die Olympischen Spiele in 2008 deutlich zu verbessern, bieten sich ausgezeichnete Geschäftsmöglichkeiten für Industriegashersteller mit emissionsreduzierenden Technologien.

Hersteller von Industriegasen sollten nicht nur ihre eigenen Anlagen in China nach den hohen westlichen Sicherheitsstandards errichten und betreiben, sondern auch auf die Einhaltung der Bestimmungen durch ihre Kunden achten. Denn auch der lukrativste Liefervertrag mit einem nachlässig kontrollierten chinesischen Kunden ist wertlos, wenn dieser seine Fabrik nach einem Arbeitsunfall oder einer Umweltkatastrophe schließen muss.

Unternehmen, die sich für eine nachhaltige Strategie entscheiden, müssen zwar möglicherweise auf das eine oder andere attraktive Investment verzichten. Langfristig dürfte sich der Ansatz jedoch auszahlen: "Je weiter China auf seinem Weg zu einer modernen Industriegesellschaft voran schreitet, desto größer werden die Chancen für Unternehmen, die sich schon jetzt auf den gesellschaftlichen und politischen Wandel einstellen", betont Dr. Volker Fitzner.

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