Linde besiegelt gegen Widerstand der Arbeitnehmer Fusion mit Praxair
Ein Führungswechsel und ein zweiter Anlauf war nötig, aber jetzt hat es Linde-Aufsichtsratschef Reitzle geschafft
(dpa) Linde hat den Zusammenschluss mit Praxair zum größten Industriegasekonzern der Welt gegen heftigen Widerstand der Betriebsräte und Gewerkschaften besiegelt. Der Aufsichtsrat des Dax-Konzerns stimmte der Fusion am Donnerstag in München zu.

geralt, pixabay.com, CC0
Mit 27 Milliarden Euro Umsatz, 66 Milliarden Euro Börsenwert und 80.000 Mitarbeitern würde der neue Gasekonzern den französischen Konkurrenten Air Liquide als Weltmarktführer ablösen. Linde und Praxair erwarten durch die Fusion Synergien von 1,1 Milliarden Euro jährlich. Die Genehmigung der Kartellbehörden in Europa und den USA steht allerdings noch aus.
Der neue Konzern soll den Namen Linde tragen, aber von Praxair-Chef Steve Angel aus den USA gesteuert werden. Die Holding wird in Dublin angesiedelt. Den Vorsitz im Aufsichtsrat soll Linde-Aufsichtsratschef Wolfgang Reitzle übernehmen.
Wie verlautete, musste Reitzle den Fusionsvertrag aber nicht mit seiner doppelten Stimme als Aufsichtsratschef durchsetzen. Schon die Ankündigung dieses Schritts war von den Gewerkschaften als Tabubruch kritisiert worden. Gewöhnlich werden solch weitreichende Entscheidungen in deutschen Aktiengesellschaften nicht gegen die Arbeitnehmerseite getroffen.
Möglicherweise kam Reitzle der Dresdner Betriebsratschef Frank Sonntag mit einer Stimmenthaltung zu Hilfe. Sonntag saß in einer Zwickmühle: Linde will den Standort Dresden mit rund 500 Mitarbeitern schließen - mit der Standortgarantie im Fall der Fusion bliebe er aber zunächst erhalten. Die Dresdner Linde-Beschäftigten hatten sich im April nicht an den Protestaktionen gegen die Fusion beteiligt.
Linde beschäftigt in Deutschland 8000, weltweit knapp 60.000 Mitarbeiter. Für den Fall einer Fusion hat der Vorstand den deutschen Beschäftigten zwar Kündigungsschutz und Standortgarantien bis 2021 zugesichert. Die Gewerkschaften und Betriebsräte von Linde in Deutschland haben sich aber bis zuletzt gegen die Fusion gestemmt.
Der bayerische IG-Metall-Chef Jürgen Wechsler befürchtet den Verlust von bis zu 10.000 Arbeitsplätzen im Konzern. Durch die Ansiedlung der Holding in Irland geht außerdem die bisherige Mitbestimmung verloren.
Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD) hatte zwei Tage vor der Aufsichtsratssitzung gewarnt, gegen die Belegschaft könne die Fusion nicht gelingen. Mit Blick auf Mitarbeiter, Umsatz und Aktionäre ist Linde allerdings nur noch zu gut 10 Prozent ein deutsches und zu fast 90 Prozent ein globales Unternehmen.
Die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) begrüßte die Fusion. «Allerdings bleiben wir bei unserer Auffassung, dass eine Hauptversammlung den Zusammenschluss eigentlich hätte genehmigen müssen», sagte DSW-Vizepräsidentin Daniela Bergdolt der dpa. Die DSW wolle darüber notfalls per Feststellungsklage Klarheit schaffen, «aber wir wollen und können die Fusion damit nicht verhindern».
Der erste Anlauf für die Fusion war im vergangenen September gescheitert, weil der Linde-Vorstand zerstritten war und sich mit Praxair über Struktur, Unternehmensführung und Firmensitz nicht einig geworden war. Investoren hatten Aufsichtsratschef Reitzle ein Chaos vorgeworfen. Mit Aldo Belloni als neuem Vorstandschef startete im Dezember der zweite Anlauf.
Wegen erwarteter Auflagen der Wettbewerbshüter werden Linde und Praxair Firmenteile verkaufen müssen, vor allem in Amerika. Praxair ist Marktführer in den USA, Linde ist stark in Europa und Asien, im US-Medizingeschäft und im Anlagenbau.
Die Linde- und die Praxair-Aktionäre sollen je die Hälfte an der neuen Holding halten. Der neue Konzern soll an der New Yorker Börse und im Leitindex Dax in Frankfurt notiert bleiben.
Vor der endgültigen Fusion muss noch die Hauptversammlung bei Praxair grünes Licht geben. Das gilt jedoch als Formsache - die 100 größten Linde-Aktionäre allein halten schon 42 Prozent der Praxair-Anteile.
In einigen Wochen will Linde mit dem Umtausch der Aktien in Anteile des neuen Konzerns beginnen. Jeder Linde-Aktionär kann dann selbst entscheiden, ob er seine Aktien tauschen will. Sollten nicht mindestens 75 Prozent der Linde-Aktionäre das Angebot annehmen, könnte die neue Holding keinen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag mit der alten Linde AG schließen - dann stünde die Fusion in Frage.
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