Jena (23.04.02)
Wissenschaftler des Fachbereichs
Mineralogie am Institut für
Geowissenschaften der
Uni Jena haben ein neuartiges Borosilicatglas entwickelt, das besonders niedrig schmilzt. Das neue
Glas lässt sich ebenso einfach wie herkömmliche
Kalk-Natron-Gläser herstellen und verarbeiten, ein gasbeheizter Schmelzofen reicht dazu aus. Es ist aber unempfindlicher gegen aggressive
Chemikalien und thermisch beständiger. Produkte aus dem neuen
Glas, sogenannte
Mikrotiterplatten für medizinische und
biologische Tests, werden derzeit erstmals auf der Fachmesse
analytica 2002 in München vorgestellt. Das Borosilicatglas eignet sich aber auch für
Verpackungen in der
Pharmaindustrie sowie für Haushaltsgläser.
In der
Medizin, der
Pharmazie, der
Biologie oder der
Chemie müssen oft Stoffe untersucht werden, die entweder in
Flüssigkeiten gelöst (etwa Erbgutproben oder neue
Arzneimittel, die auf ihre Wirksamkeit getestet werden sollen) oder selbst eine Flüssigkeit sind (zum Beispiel
Blut). Früher benötigte man dazu ziemlich große Flüssigkeitsmengen, die einzeln "von Hand" untersucht wurden. In den vergangenen Jahren wurden solche Untersuchungen immer mehr automatisiert, gleichzeitig wurden die nötigen Flüssigkeitsmengen immer kleiner. Die Folge: Man kann immer mehr Proben in immer kürzerer Zeit testen.
Für solche Untersuchungen werden die
Flüssigkeiten mit einer Pipette auf sogenannte
Mikrotiterplatten, in der Fachsprache auch well plates genannt, aufgegeben. Solche Mikrotiterplatten besitzen eine Reihe von Vertiefungen, von denen jede eine Untersuchungsprobe aufnehmen kann. Üblich sind Platten mit 96, 384 oder 1536 Vertiefungen (Fachwort: Kavitäten) - je mehr, desto geringer die benötigte Flüssigkeitsmenge und desto mehr Proben können gleichzeitig ausgewertet werden. Oft reichen schon wenige Mikroliter - nicht einmal ein Tropfen. Die Mikrotiterplatten werden mit speziellen Lesegeräten ausgewertet, die ihre Daten sofort an einen Computer weitergeben. Die Ergebnisse von wissenschaftlichen Tests lassen sich so schon in kürzester Zeit beurteilen.
Meist bestehen die Mikrotiterplatten aus Kunststoff. Doch solche Platten haben verschiedene Nachteile: Sie sind für viele Anwendungen nicht geeignet, weil sie chemisch und thermisch nicht beständig sind. Die Alternative sind Platten aus hochschmelzenden Spezialgläsern - sie vertragen hohe Temperaturen, sind gegen aggressive
Chemikalien beständig und können leicht gereinigt und sterilisiert werden. Sie sind aber auch teuer, da sie schwierig herzustellen sind und die Vertiefungen aufwändig gebohrt werden müssen.
Hier kann das neue Borosilicatglas helfen, das der Wissenschaftler Eckhart Watzke am Institut für Geowissenschaften, Bereich Mineralogie, der Jenaer Uni bei Prof.
Klaus Heide entwickelt hat. Die Mikrotiterplatten aus der Jenaer Neuentwicklung werden von der Glastechnischen Werkstatt Horst Grimm im thüringischen Gelberg hergestellt, einem mittelständischen Unternehmen. Für das Glas wurden eigens neue Presswerkzeuge entwickelt, mit denen es sich direkt aus der Schmelze formen lässt - Bohrungen sind also nicht nötig. Dadurch sinken die Herstellungskosten beträchtlich.