Graphen auf dem Weg zur Supraleitung

14.11.2018 - Deutschland

Doppelschichten aus Graphen haben eine Eigenschaft, die ihnen erlauben könnte, Strom völlig widerstandslos zu leiten. Dies zeigt nun eine Arbeit an BESSY II. Ein Team hat dafür die Bandstruktur dieser Proben mit hoher Präzision ausgemessen und an einer überraschenden Stelle einen flachen Bereich entdeckt. Möglich wurde dies durch die extrem hohe Auflösung des ARPES-Instruments an BESSY II.  

HZB

Die Messungen zeigen beim doppellagigem Graphen, dass die Bandstruktur einen flachen Bereich etwas unterhalb der Fermi-Energie aufweist.

Aus reinem Kohlenstoff bestehen so unterschiedliche Materialien wie Diamant, Graphit oder Graphen. In Graphen bilden die Kohlenstoffatome ein zweidimensionales Netz mit sechseckigen Maschen: eine Honigwabenstruktur. Graphen leitet den Strom zwar sehr gut, ist aber kein Supraleiter. Nun lässt sich dies vielleicht ändern.

Magischer Winkel: der komplizierte Weg zur Supraleitung

Im April 2018 zeigte eine Gruppe am MIT, USA, dass sich in einer doppelten Lage aus Graphen eine Form der Supraleitung erzeugen lassen könnte: Dafür müssen die beiden aufeinandergelegten Honigwaben um einen „magischen Winkel“ von 1,1° gegeneinander verdreht werden. Dies verändert die so genannte Bandstruktur der  Elektronen, die beschreibt, wie sich die Ladungsträger auf quantenmechanisch zulässige Energiezustände verteilen und welche Ladungsträger überhaupt für den Transport zur Verfügung stehen. Durch den „magischen Winkel“ entstehen flache Bereiche in dieser Bandstruktur, so dass sich ein Teil der Ladungsträger frei bewegen kann. Allerdings ist die Herstellung solcher exakt verdrehten Doppellagen viel zu aufwändig für die Massenproduktion. Dennoch hat der Befund bei Experten viel Aufmerksamkeit erregt.

Es geht aber einfacher

Nun zeigt eine Gruppe am HZB um Prof. Dr. Oliver Rader und Dr. Andrei Varykhalov an BESSY II, dass es eine deutlich einfachere Möglichkeit gibt, um flache Bereiche in der Bandstruktur von Graphen zu erzeugen. Die Proben hatte Prof. Dr. Thomas Seyller, TU Chemnitz, mit einem Verfahren hergestellt, das auch für die Produktion größerer Flächen geeignet ist: Ein Siliziumkarbidkristall wird erhitzt, bis Siliziumatome von der Oberfläche verdunsten. Die verbliebenen Kohlenstoffatome bilden zunächst eine Lage Graphen auf der Oberfläche und dann eine zweite Lage Graphen. Die beiden Graphen-Schichten sind dabei nicht gegeneinander verdreht, sondern liegen genau übereinander.

Erst die hohe Auflösung bringt den Einblick

Mit Hilfe von winkelaufgelöster Photoemissionsspektroskopie (ARPES) lässt sich an BESSY II nun die Bandstruktur in Materialien mit extrem hoher Präzision ausmessen. Dabei fand das Team in den Graphen-Proben einen flachen Bereich in der Bandstruktur an einer überraschenden Stelle. "Bisher wurde die Graphen-Doppellage vor allem untersucht, weil sie eine Bandlücke aufweist, die sie zu einem Halbleitermaterial macht", erklärt Varykhalov. "Erst mit der hohen Auflösung, die das ARPES-Instrument liefert, können wir diese Bandlücke genauer vermessen."

"Diesen Bereich hatte bislang niemand so genau untersucht", erklärt Erstautor Dr. Dmitry Marchenko: "Daher wurde bisher übersehen, dass es an dieser Stelle der Bandstruktur von Graphen einen flachen Bereich gibt."

Verschieben ist möglich

Dieser flache Bereich der Bandstruktur ermöglicht eine bestimmte Form der Supraleitung: Denn damit können sich Ladungsträger (Elektronen) in diesem Bereich völlig frei bewegen. Allerdings nur, wenn sich der flache Bereich genau in Höhe der Fermi-Energie befindet. Beim zweischichtigen Graphen liegt das Energieniveau des flachen Bereichs nur 200 Milli-Elektronenvolt unter der Fermi-Energie. Es ist jedoch möglich, dieses Energieniveau auf die Fermi-Energie zu erhöhen, entweder durch Dotierung mit Fremdatomen oder durch Anlegen einer externen Gate-Spannung. 

Die Physiker haben festgestellt, dass Wechselwirkungen zwischen den Graphen-Schichten sowie zwischen Graphen und Siliziumkarbid-Gitter für die Ausbildung des Flachbandbereichs verantwortlich sind. "Wir können dieses Verhalten mit sehr wenigen Parametern vorhersagen und diesen Mechanismus nutzen, um die Bandstruktur gezielt zu beeinflussen", ergänzt Oliver Rader.

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