Wiesbadener Initiative: "Für eine Betriebsverfassungsreform mit Augenmaß"

06.02.2001

Aus Sorge über die zunehmende Konfrontation in der Diskussion über die Betriebsverfassungsreform haben sich der Bundesarbeitgeberverband Chemie (BAVC), der Bundesverband Druck und Medien sowie der Gesamtverband der Textilindustrie (Gesamttextil) in Wiesbaden zu der "Initiative Betriebsverfassungsreform mit Augenmaß" zusammengeschlossen. Ihre Mitgliedsfirmen sind in besonderer Weise von der geplanten Gesetzesreform betroffen.

Konstruktiver Dialog angeboten

Die Hauptgeschäftsführer der drei Verbände, Hans Paul Frey, Thomas Mayer und Dr. Klaus Schmidt erklärten, das Ziel der Initiative sei es, eine weitere Verhärtung der Positionen in dieser für die deutsche Wirtschaft essentiellen Frage zu vermeiden.

"Die betriebliche Mitbestimmung ist einer der Grundpfeiler des deutschen Wirtschaftsmodells. Wir setzen uns für eine vernünftige Weiterentwicklung ein und bieten der Bundesregierung einen konstruktiven Dialog in Sachen Betriebsverfassungsreform an. Wir erwarten umgekehrt allerdings eine vorurteilsfreie Prüfung der Argumente."

Kleine und mittelgroße Firmen sind alarmiert

Die drei Arbeitgeberverbände vertreten in ihrem Organisationsbereich über 9.000 Unternehmen mit rund einer Million Beschäftigten. Alle drei Industriebranchen befinden sich in einem anhaltenden Strukturwandel und in zunehmendem Wettbewerb mit europäischen und internationalen Standorten. Die Masse der Mitgliedsunternehmen (BAVC = 77 %, Gesamttextil = 97 %, Druck und Medien = 99 %) haben weniger als 500 Beschäftigte und sind mittelständisch geprägt. Gerade auf diese Unternehmen zielt die Absenkung der Schwellenwerte für die Einrichtung und Größe des Betriebsrats sowie für die Freistellung von Betriebsratsmitgliedern. "Wir haben die begründete Sorge, dass vor allem diese Mitgliedsunternehmen mit zusätzlichen Kosten und bürokratischen Verfahren unerträglich belastet werden", sagten die Vertreter der an der Initiative beteiligten Verbände. In den letzten Wochen habe es immer mehr Protestanrufe und -briefe von Mitgliedsunternehmen gegeben.

Insbesondere drei Aspekte beunruhigten die Firmen:

Die Absenkung der Schwellenwerte für die Wahl und Größe des Betriebsrates sowie für die Freistellung von der Arbeit. Kleine und mittelständische Unternehmer sehen sich mit einer Gremienaufblähung konfrontiert. (Beispiel: Ein für die drei an der Initiative beteiligten Branchen typischer Betrieb hat 230 Beschäftigte. Es gibt keinen eigenständigen Personalleiter. Die Personalsacharbeit wird in der Buchhaltung erledigt, personelle Entscheidungen trifft der Geschäftsführer oder der technische Betriebsleiter. Der Markt befindet sich im Umbruch. Der Geschäftsführer ist voll mit dem Kontakt zu den Kunden ausgelastet. Er hetzt den Aufträgen hinterher, damit die Firma im Geschäft bleibt. Sein Betriebsrat muss nach der Novelle plötzlich um zwei Mitglieder erweitert werden, ein Mitglied muss jetzt sogar vollständig von der Arbeit freigestellt werden. Für den Unternehmer erhöht sich zusätzlich der Arbeitsaufwand im Umgang mit dem Betriebsrat. Dieser kann sich dagegen Zeit nehmen. Der Geschäftsführer fragt, wo der Nutzen für Betrieb und Beschäftigte liegen soll.) Die zum Teil drastische Erhöhung von Kosten und Aufwand für die Betriebsratsarbeit. (Beispiel: Eine Mitgliedsfirma (270 Beschäftigte) rechnet vor, dass sich ihre direkten Betriebsratskosten durch Vergrößerung des Betriebsrates und Freistellung um rund 250 % erhöhen. Ohne weitere Folgekosten beläuft sich allein diese Kostensteigerung auf ca. 130.000 DM. Das sind fast 25 % des derzeitigen Gewinns der Firma nach Steuern. Sie stellt die Frage, wie sie damit mehr Arbeitsplätze schaffen soll.) Die zunehmende Bürokratisierung und "Verschlimmbesserung" durch neue Mitbestimmungstatbestände. (Beispiel: Ein Betrieb (480 Beschäftigte) hat vor kurzem im Eilverfahren eine moderne Maschine gekauft, die für einen Großauftrag benötigt wurde. Die Firma befürchtet in Zukunft folgendes Szenario:

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