Wasser aus der Luft gewinnen

Forschungsteam entschlüsselt den Adsorptionsmechanismus eines speziellen mikroporösen Materials

09.01.2024
B. Schröder/ HZDR

Metallorganische Gerüstverbindungen können in den von ihnen gebildeten Poren reversibel Wasser aus der Luft aufnehmen. Im Bild sind die drei verschiedenen miteinander verbundenen Hohlraum-Typen der untersuchten Verbindungen als Polyeder dargestellt.

Ein Forschungsteam des Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf (HZDR) und der Technischen Universität Dresden (TUD) hat den Mechanismus der Wasseradsorption in bestimmten mikroporösen Materialien – sogenannten hierarchischen metallorganischen Gerüsten (MOFs) – auf atomarer Ebene untersucht und entschlüsselt. Vor etwa 25 Jahren entdeckt, haben die besonderen Eigenschaften dieser Verbindungen ihnen schnell den Ruf von „Wundermaterialien“ eingebracht. Wie sich herausstellte, können MOFs sogar Wasser aus der Luft aufnehmen. In der Zeitschrift ACS Applied Materials & Interfaces beschreiben die Forschenden, wie das Material dies erreicht.

„Bei diesen speziellen Materialien handelt es sich um hochporöse Festkörper aus Metallen oder Metall-Sauerstoff-Clustern, die durch Säulen aus organischen Verbindungen modular verbunden sind. Durch diese 3D-Anordnung entstehen Netzwerke von Hohlräumen, die an die Poren eines Küchenschwamms erinnern. Genau diese Hohlräume sind es, die uns interessieren“, sagt Dr. Ahmed Attallah vom Institut für Strahlenphysik am HZDR.

Die nanometergroßen Poren sind die Grundlage für eine Fülle potentieller Anwendungen von der Gasspeicherung über die Trenntechnik bis hin zur Katalyse und neuartigen Sensoren. Die Wassergewinnung gilt dabei als besonders vielversprechendes Verfahren.

Die Leere erforschen

Zu diesem Zweck synthetisierte das Team zwei MOFs auf der Basis der Metalle Zirkonium und Hafnium, die vom selben organischen Gerüst gehalten werden. Anschließend untersuchten die Forschenden die Eigenschaften der hergestellten Materialien mit Hilfe einer Reihe sich ergänzender Techniken. Zum einen bestimmten sie, wie viel Stickstoff oder Wasserdampf in den Poren des Materials eingeschlossen werden kann. Zum anderen untersuchten sie den genauen Mechanismus der Wasseradsorption in den MOFs, der bis dato nicht gut verstanden war. „Um Licht in den Prozess zu bringen, haben wir eine zerstörungsfreie Technik verwendet, die als Positronen-Annihilations-Lebensdauer-Spektroskopie oder kurz PALS bekannt ist. Dabei tritt ein Positron mit Elektronen – seinen Antiteilchen – in Wechselwirkung und setzt Gammastrahlen frei, die nachgewiesen werden können. Die Zeit zwischen der Emission von Positronen aus einer radioaktiven Quelle und dem anschließenden Nachweis von Gammastrahlen ist die Lebensdauer der Positronen. Diese wiederum hängt davon ab, wie schnell sie auf Elektronen treffen“, beschreibt Dr. Andreas Wagner, Leiter des ELBE-Zentrums für Hochleistungs-Strahlungsquellen am HZDR, das Prinzip.

Wenn Hohlräume im Material vorhanden sind, wie beispielsweise Nanoporen, neigen Positronen und Elektronen dazu, so genannte Positronium-Atome zu bilden. In ihnen kreisen jeweils ein Elektron und ein Positron um ihren gemeinsamen Massenschwerpunkt und bewegen sich so lange aufeinander zu, bis das Teilchenpaar entweder zerstreut oder vernichtet wird – je nachdem, was zuerst eintritt. Da diese exotischen Atome in größeren Hohlräumen länger leben, geben sie Informationen über die Größe und Verteilung des jeweiligen Hohlraums preis. Das Team fand heraus, dass die Wasseradsorption in den MOFs hauptsächlich durch einen schrittweisen Füllmechanismus, einschließlich der Vernetzung von Flüssigkeit in den Poren, gesteuert wurde. Die Wasseradsorption wurde durch die Bildung von Wasserclustern auf der Porenoberfläche beeinflusst, wodurch kleine Luftspalten in den Poren entstanden.

Wüstenluft auspressen

„Aufgrund der großen chemischen Ähnlichkeit der Metalle Zirkonium und Hafnium haben die resultierenden metallorganischen Gerüste exakt die gleichen Porengrößen und eine hohe chemische Stabilität, sodass wir gleichzeitig die Anwendbarkeit unserer Methode nachweisen konnten“, erklärt Prof. Stefan Kaskel, Inhaber der Professur für Anorganische Chemie I an der TU Dresden. Die Forschungsarbeiten seiner Gruppe konzentrieren sich auf die Entwicklung neuartiger funktioneller Materialien für verschiedene Anwendungen, wie Energiespeicherung und -umwandlung, Umweltkatalyse und Wasseradsorption.

Die Forscher*innen kommen zu dem Schluss, dass ihre Studie neue Erkenntnisse über den Mechanismus der Wasseradsorption in hierarchischen MOFs liefert, die dazu beitragen könnten, bessere Materialien für die Gewinnung von Wasser aus der Luft zu entwickeln. Dies ist vor allem in trockenen Regionen der Welt wichtig. Indem sie MOFs der Luft aussetzen, können sie Wassermoleküle aus der Atmosphäre einfangen. Durch Zufuhr von Wärme oder Verringerung des Drucks kann das Wasser dann wieder freigesetzt und genutzt werden. Und die Wissenschaftler*innen denken bereits weiter: Eignet sich die Technologie für kommerzielle Anwendungen? 1,3 Liter Wasser pro Kilogramm MOF pro Tag aus Wüstenluft, wie von einer anderen Gruppe auf dem Gebiet berichtet, geben eine Vorstellung von der Größenordnung der derzeit praktisch erreichbaren Ausbeute.

Für eine nachhaltige Gesamtlösung müssen jedoch neben dem Ertrag auch andere Faktoren berücksichtigt werden. „Um die Wassergewinnung mit MOFs zu erweitern, sollten sie in großen Mengen kostengünstig verfügbar sein. Außerdem erfordern herkömmliche Syntheserouten große Mengen an organischen Lösungsmitteln oder den Erwerb teurer Molekül-Bausteine“, weisen Kaskel und Attallah auf mögliche Fallstricke bei diesem Unterfangen hin. Um diese zu vermeiden, werden in Zukunft neu entwickelte, so genannte „grüne“ Syntheseverfahren an Bedeutung gewinnen, die eine umweltfreundliche Herstellung von MOFs gewährleisten sollen. Das Team aus Dresden folgt dieser Idee bereits, indem es die Prinzipien der grünen Chemie nutzt, wie etwa die Verwendung von Wasser als Lösungsmittel, die Durchführung von Reaktionen bei energiesparenden niedrigen Temperaturen und die Nutzung von Abfallstoffen als Quelle für Metalle und organische Komponenten.

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