Sonnenlicht besser nutzen: Web-Plattform soll Suche nach neuen Photokatalyse-Materialien beschleunigen
Europäische Union finanziert CASUS-Forschungsvorhaben in Höhe von 850.000 Euro
Dank der Energie der Sonne kann Strom nachhaltig erzeugt werden. Prinzipiell gilt dies auch für Grundchemikalien. Für den industriellen Einsatz sind die bisher entdeckten Katalysatormaterialien allerdings noch nicht geeignet, da sie häufig wichtige Kriterien wie Robustheit, Effizienz, Kosten und Skalierbarkeit nicht erfüllen. Eine neue Web-Plattform soll das vorhandene Wissen bündeln und mehren. Das Versprechen: Mit Hilfe dieser Plattform identifizierte Materialien haben deutlich mehr der für den Industrieeinsatz benötigten Eigenschaften. Für den Aufbau der für die Wissenschaftsgemeinde frei zugänglichen Plattform erhält das Center for Advanced Systems Understanding (CASUS) am Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR) knapp 1 Million Euro über den „Fonds für einen gerechten Übergang“ der Europäischen Union. Zudem ist auch der Freistaat Sachsen an der Finanzierung des Projekts „Umwandlung von Sonnenenergie in Brennstoffe“ (UvSiB) direkt beteiligt.
Viele Grundchemikalien zur Herstellung von Kunst- oder Treibstoffen stammen aus fossilen Brennstoffen wie Erdöl und Erdgas. In Sachen Nachhaltigkeit wäre eine direkte Nutzung von Sonnenenergie ein riesiger Fortschritt. Zum Beispiel könnten Wasser und Kohlendioxid in sogenannte solare Brennstoffe wie Wasserstoff und bestimmte Kohlenwasserstoffe umgewandelt werden. Um diese sogenannte künstliche Photokatalyse im großen Maßstab umsetzen zu können, müssen allerdings noch offene wissenschaftliche und technische Probleme gelöst werden. Insbesondere werden bessere Photokatalysatoren benötigt. Sie müssen effizienter, stabiler und langlebiger als aktuell verfügbare Kandidaten sein.
Aus der Forschung kommen regelmäßig interessante neue Materialien. Allerdings sind die Herstellungs- und Testzyklen aufwändig und teuer. Die rechnergestützte Wissenschaft hat hier gezeigt, dass sie ein wertvolles Werkzeug ist, um Materialien mit besseren Eigenschaften zu identifizieren. Statt unzähliger Runden nach dem Prinzip „Versuch und Irrtum“ werden so nur noch die wirklich vielversprechendsten Kandidaten hergestellt und getestet.
Die virtuelle Materialentwicklung wird bereits für viele Szenarien vorangetrieben. Im Bereich der Photokatalyse-Materialien gibt es ein solches Projekt noch nicht. Diese Lücke will das CASUS-Team um Dr. Hossein Mirhosseini mit UvSiB schließen. „Diese Plattform wird eine breite wissenschaftliche und industrielle Gemeinschaft bei der effektiven und schnellen Entwicklung und Produktion neuartiger Materialien für die Solartreibstoffproduktion unterstützen“, sagt Hosseini.
Die Durchführung von Hochdurchsatzsimulationen gehört zu den wichtigsten Funktionen der geplanten Web-Plattform. Die Simulationen können mit verschiedenen Verfahren des maschinellen Lernens (bereitgestellt auf der Plattform) beschleunigt werden. Eine weitere Funktion wird die beschleunigte Analyse mittels künstlicher Intelligenz (KI) sein. Bestimmte Materialstrukturen können dann schneller bestimmten Materialeigenschaften zugeordnet werden. Die dritte Hauptfunktion wird die Erstellung von Arbeitsabläufen sein. Verschiedene Hochdurchsatzsimulationen und KI-basierte Analyseverfahren können auf der Plattform zu virtuellen Experimenten kombiniert werden. Selbst komplexe Arbeitsabläufe können automatisiert und weitgehend ohne manuelle Eingriffe abgewickelt werden.
Das CASUS-Team erstellt erste Datensätze, vortrainierte KI-Modelle und Arbeitsabläufe für das Materialdesign. Interessierte Nutzerinnen und Nutzer können damit die Möglichkeiten der Web-Plattform niederschwellig kennenlernen, bevor sie eigene Daten und Algorithmen darauf bereitstellen. Der Zugang steht der globalen Wissenschaftsgemeinde offen. Das als Open-Access-Plattform konzipierte Angebot lässt sich ohne finanzielle, technische oder rechtliche Barrieren einsetzen.
Informationstechnologie als Innovationstreiber etablieren
CASUS-Direktor Prof. Thomas D. Kühne betont die Bedeutung des Angebots als Grundlage für Technologieinnovationen: „Die Plattform ermöglicht es angewandten Forscherinnen und Forschern, vielversprechende nachhaltige Materialien für die Solartreibstoffproduktion schneller zu identifizieren. Sie wird ein weiteres Beispiel für die umwälzende Kraft der Informationstechnologie sein, die innovative Produkte und Lösungen für industrielle Anwendungen möglich macht.“
„Je breiter die Nutzung der Web-Plattform, desto wertvoller ist sie für die Wissenschaft“, sagt Mirhosseini. „Eines unserer Ziele ist somit auch, dass Fachleute aus den Materialwissenschaften, der Chemie oder der Physik ohne ausgewiesene Expertise in Datenwissenschaften oder künstlicher Intelligenz das Angebot nutzen können. Wir werden daher die Nutzerfreundlichkeit der Plattform regelmäßig evaluieren und verbessern.“
Der „Fonds für einen gerechten Übergang“ (Just Transition Fund, JTF) ist ein Förderinstrument der Europäischen Union, das vor allem von Stein- und Braunkohle abhängigen Regionen zugutekommt. Für den sächsischen Teil des Lausitzer Braunkohlereviers stehen insgesamt 375 Millionen Euro zur Verfügung. Obwohl der Großteil der Mittel für die Unterstützung der Wirtschaft in den vom Strukturwandel betroffenen Gebieten reserviert ist, können sich auch akademische Einrichtungen um die Förderung von Forschungs- und Entwicklungsprojekten bewerben. Über die Förderrichtlinie „Forschung InfraProNet 2021-2027“ konnte sich das CASUS so die hundertprozentige Förderung in Höhe von 850.000 Euro für UvSiB sichern. Das Projekt startete im Mai 2025 und läuft bis Ende Oktober 2027.