„Spinspiralen“ für die Rechner der Zukunft

Forscher aus Jülich, Hamburg und Kiel schlagen neuen Weg für Informationstransport im Nanomaßstab vor

10.05.2012 - Deutschland

Wie können Computerdaten zukünftig sicher gespeichert und ausgelesen werden, wenn Rechner immer kleiner werden? Forscher aus Jülich, Hamburg und Kiel schlagen vor, die magnetischen Momente in Ketten aus Eisenatomen zu nutzen. Damit lassen sich Informationen im Nanobereich transportieren, und dies schnell, energiesparend, in einem breiten Temperaturbereich und robust gegenüber äußeren Magnetfeldern. Das zeigten die Forscher in Theorie und Experiment. Ihre Arbeit könnte einen Weg für die weitere Miniaturisierung in der Informationsverarbeitung öffnen.

Universität Hamburg/Universität Kiel/Forschungszentrum Jülich

Magnetische Ordnung von Ketten aus Eisenatomen (gelb/rot) auf einer Iridiumoberfläche (blau/grün), aufgenommen mit einem Rastertunnelmikroskop mit magnetischer Spitze. Zu sehen ist ein etwa 30 mal 30 Nanometer großer Probenausschnitt. Mit dieser Technik, kombiniert mit Computersimulationen, konnten Forscher aus Jülich, Hamburg und Kiel nachweisen, dass sich die magnetische Ordnung gezielt modulieren und zum Transport von Informationen nutzen lässt.

Computer speichern Daten bisher in magnetischen Domänen auf der Festplatte, den Bits. Bereits jetzt sind diese Bereiche nach menschlichen Maßstäben fast unvorstellbar klein: Eine 1-Terabyte-Festplatte etwa besitzt acht Billionen Bits. Um aber neue Funktionalitäten möglich zu machen, müssen Computerbauteile auch zukünftig weiter „schrumpfen“. Doch wenn die Bits zu eng beieinander liegen, überlappen ihre magnetischen Felder und das Einschreiben und Auslesen der Daten funktioniert nicht mehr. Deshalb werden neuartige Konzepte nötig. Einen Vorschlag für einen Datentransport im Nanomaßstab machen nun Wissenschaftler des Forschungszentrums Jülich und der Universitäten Hamburg und Kiel.

„Unseres Wissens ist dies ein vollkommen neues Konzept für einen Datentransport in dieser Größendimension“, sagt der Jülicher Physiker Prof. Stefan Blügel, Direktor am Institute of Advanced Simulation und am Peter Grünberg Institut. „Weil das System sehr stabil ist und Informationen damit schnell und energiesparend übertragen werden können, halten wir es für äußerst vielversprechend für zukünftige Anwendungen.“

„Spinspiralen“ nennen die Forscher die spiralförmige Anordnung der magnetischen Eigenschaften (Spins) in Ketten aus Eisenatomen, die sie für ihre Experimente in Doppelreihen auf einer Iridiumoberfläche platziert haben. Es ist das erste Mal, dass Forscher eine solche Ordnung in einer atomaren Kette Atom für Atom beobachtet haben. „Stellen Sie sich eine Spinspirale wie eine Schraube vor“, erläutert Prof. Yuriy Mokrousov vom Jülicher Institute of Advanced Simulation. „Wenn Sie den Kopf der Schraube packen und drehen, pflanzt sich diese Drehung bis zur Spitze fort. Das heißt, Sie können die Stellung des Schraubenkopfs erkennen, wenn Sie die Position der Spitze kennen.“

Stark vereinfacht stellt dieser Vergleich dar, wie die Spinspiralen zukünftig Daten transportieren sollen: Verbindet man sie an einem Ende mit einem magnetisierten Objekt, lässt sich am anderen Ende, wenige Atome und bis zu drei Hunderttausendstel Millimeter entfernt (30 Nanometer) dessen magnetische Ausrichtung ablesen. So könnte man zukünftig Daten dichter komprimieren und über die Spinspiralen auslesen. „Besonders interessant“, sagt Prof. Blügel, „ist dabei die Tatsache, dass der Drehsinn der atomaren Schraube, den wir in der Fachsprache Chiralität nennen, sehr stabil ist auch bei relativ warmen Temperaturen.“ Die Forscher haben das System bei bis zu 100 Kelvin untersucht.

Physikalisch betrachtet besitzen die Spinspiralen eine komplexe magnetische Ordnung – Fachleute sprechen von „nicht-kollinear“, weil die Spins benachbarter Atome nicht parallel aufgereiht sind, wie es in einfachen magnetischen Materialien der Fall ist. Die komplexe Ordnung bringt Vorteile für mögliche Anwendungen mit sich: Zum Beispiel zeigt sie von außen betrachtet nur eine kleine Restmagnetisierung; deshalb sind die Gebilde unempfindlich gegenüber externen Magnetfeldern. Gleichzeitig lassen sie sich aber durch magnetische Objekte an den Enden leicht beeinflussen, wichtig für einen effizienten Informationstransport.

Die Proben wurden in Hamburg hergestellt und untersucht. Die Forscher nutzten ein Rastertunnelmikroskop mit magnetischer Spitze, um die magnetische Struktur der Probenoberfläche zu messen. In Jülich wurden sehr aufwendige Computersimulationen durchgeführt, um die Messdaten zu analysieren und um zu verstehen, warum sich die Spinspiralen bilden. Die Forscher planen nun zu untersuchen, ob das System auch bei höheren Temperaturen bis hin zu Raumtemperatur stabil ist.

Originalveröffentlichung

Viewpoint: Pushing Bits Through a Spin Wire; Shigeki Onoda; Physics 5, 53 (2012)

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