Was Atome zusammendrängt

Longuet-Higgins Young Author's Prize für RUB-Forscher

21.10.2014 - Deutschland

Die Bewegung von Atomkernen in Molekülen lässt sich kaum beobachten - aber berechnen. Dr. Lukasz Walewski ist es im Exzellenzcluster RESOLV (Ruhr Explores Solvation) an der Ruhr-Universität gelungen, einen Einblick in das Verhalten von Wasserstoff-Kernen bei sehr niedrigen Temperaturen zu gewinnen. Diese Wasserstoff-Kerne sorgen über so genannte Wasserstoffbrücken zum  Beispiel dafür, dass Wasser bei Raumtemperatur flüssig (und nicht fest oder gasförmig) ist. Für seine Arbeit wurde er mit dem Longuet-Higgins Young Author's Prize der internationalen Fachzeitschrift "Molecular Physics" ausgezeichnet.

Warum Quantenteilchen unscharf sind

Bei den untersuchten extrem niedrigen Temperaturen, charakteristisch für supraflüssiges Helium, treten Quanteneffekte der Kerne zu Tage, die weit jenseits unserer täglichen Wahrnehmung liegen: So sorgt etwa die in der Quantenphysik bekannte Heisenbergsche Unschärferelation dafür, dass der tatsächliche physikalische Ort von Quantenteilchen nicht exakt bestimmt ist. Er ist unscharf, Wissenschaftler nennen das "delokalisiert". Dieser Effekt kann mit einer effektiven Größe des Kerns beschrieben werden und ist umso stärker je niedriger die Temperatur und leichter der Kern. Auf der anderen Seite wirken interatomare Wechselwirkungen, die Moleküle zusammenhalten, dieser Delokalisierung entgegen. "Sie quetschen sozusagen die Kerne wieder zusammen und vermindern die Unschärfe", verdeutlicht Lukasz Walewski. Die zwei konkurrierenden Tendenzen bewirken ein völlig unerwartetes Verhalten von Wasserstoffkernen bei ultratiefen Temperaturen, wenn diese Wasserstoffkerne in Wasserstoffbrücken gebunden sind.

Computer-Simulationen mit überraschendem Ergebnis

Lukasz Walewski hat nun in Computer-Simulationen herausgefunden, dass diese Wasserstoff-Kerne bei supraflüssigen Helium-Temperaturen (circa 1 K also minus 272 °C) durch die Wechselwirkungen mit den benachbarten Heliumatomen extrem stark lokalisiert werden. Die effektive Größe des Wasserstoff-Kerns wird dabei so stark verkleinert, dass sie sogar kleiner ist, als die effektive Größe viel schwererer Atomkerne. Diese sollten nach oberflächlicher Betrachtung stärker lokalisiert sein als Wasserstoffkerne, wie es bei wesentlich höheren Temperaturen bekannt ist. Dieser Mechanismus könnte Konsequenzen haben: "Wie man sich leicht vorstellen kann, spielt die effektive Größe von Atomen und Atomkernen beim Aufbau molekularer Bindungen eine wesentliche Rolle", erläutert Lukasz Walewski. "Insbesondere beim Aufbau von Wasserstoffbrücken ist sie bedeutend, da sie nicht nur Wasser flüssig machen, sondern etwa die DNA zusammenhalten oder für die Faltung von Proteinen wichtig sind."

Beobachtungen aus Experimenten besser verstehen

Der beschriebene Effekt könnte bedeutsam sein für das Verständnis von Ergebnissen aus Experimenten: Mit "Helium Nanodroplet Isolation Spectroscopy" (HENDI)-Experimenten messen die Forscher hochpräzise die Schwingungsspektren von in Wassertropfen eingeschlossenen Molekülen in suprafluidem Helium. Hierbei stellt sich die Frage, welche Rolle die Wechselwirkung der Wasserstoffbrücken mit dem umgebenden Helium spielt und wie die Suprafluidität der Heliumumgebung davon beeinflusst wird.

Originalveröffentlichung

L. Walewski, H. Forbert and D. Marx; "Interaction-Induced Localization of Protons in Hydrogen Bonds at Superfluid Helium Temperatures."; Mol. Phys. 2013, 111, 2555-2569.

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