Riesiges Gas-Leck stinkt Bewohnern in Nobelviertel von Los Angeles

Wie groß ist die Gesundheitsgefahr tatsächlich?

02.02.2016 - USA

(dpa) Zuerst verschwanden die Vögel aus dem Garten von David Balen. Wo einst Schwalben, Blauhäher und Kolibris munter zwischen Pool und Palmen seines kalifornischen Anwesens herumschwirrten, sei es im vorigen Oktober plötzlich leer geworden, erinnert sich der Familienvater. Dafür durchzog zur gleichen Zeit ein übler Gestank Porter Ranch, ein Nobelviertel nördlich der Metropole Los Angeles - und stellte Balens Leben auf den Kopf.

Keine zwei Kilometer entfernt wurde in Aliso Canyon, der größten unterirdischen Gasspeicheranlage im Westen der USA, ein riesiges Leck entdeckt. Täglich strömten rund 1000 Tonnen Erdgas aus und legten sich wie ein feiner öliger Schleier über Porter Ranch. Die Anwohner plagte nicht nur der Gestank nach faulen Eiern. Viele litten unter Kopfschmerzen oder Übelkeit. «Ich hatte sieben Tage hintereinander Nasenbluten», klagt Balen. Aus Angst schickte er seine achtjährige Tochter nicht mehr zur Schule. «Die Chemikalien haben ein ganz schönes Chaos angerichtet», sagt er.

Bislang ist das tatsächliche Ausmaß des Schadens unklar. Kopfschmerzen und Nasenbluten wurden nach Angaben der Gesundheitsbehörden durch extra beigemischte übelriechende Chemikalien verursacht, die das geruchlose Gas schneller bemerkbar machen sollen. Sei das Loch erstmal gestopft, hätten auch die Beschwerden der Anwohner ein Ende, heißt es. Doch die Menschen in Porter Ranch sind misstrauisch. Sie bezweifeln, dass die Behörden sie über langfristige Gesundheitsrisiken aufklären, wie Paula Cracium vom Nachbarschaftsrat sagt. «Das ist nicht fair, wenn Menschenleben und die Gesundheit der Kinder auf dem Spiel stehen», schimpft sie.

Bisher habe es keine Auswirkungen auf die Luftqualität in Porter Ranch gegeben, behauptet dagegen der Besitzer der Anlage, der Energieversorger SoCalGas (Southern California Gas). «Wir testen und testen und erhalten immer wieder die gleichen Ergebnisse», sagt Sprecher Mike Mizrahi. «Jeder kann selbst entscheiden, das zu glauben oder nicht.»

Viele glauben es nicht. Balen und seine Familie haben sich wie Tausende anderer Anwohner von dem Unternehmen anderweitig unterbringen lassen. Sie wollen erst dann wieder in ihre Häuser zurückkehren, wenn das Gasleck versiegelt ist. Einige Anwohner fordern sogar, dass die Anlage komplett geschlossen wird. Davon wären rund 21 Millionen Gaskunden betroffen.

Am vorigen Donnerstag beschloss der Senat von Kalifornien, die Firma dürfe vorläufig kein weiteres Gas mehr in die unterirdische Lagerstätte leiten. Das Moratorium muss jedoch von der State Assembly, dem Unterhaus des Bundesstaates, bestätigt werden.

Der Skandal um Aliso Canyon rückt auch die vernachlässigte Infrastruktur der US-Öl- und Gasindustrie in den Fokus. SoCalGas habe sich nicht genug um die Wartung gekümmert und keine Sicherheitsvorkehrungen getroffen, werfen Anwohner und Aktivisten dem Unternehmen vor. Die Firma wehrt sich: Alle gesetzlichen Anforderungen seien erfüllt worden.

Durch das Leck werde Kaliforniens Treibhausgas-Ausstoß in diesem Jahr deutlich steigen, sagt die Aufsichtsbehörde des Bundesstaats für Abgasbestimmungen, ARB. Seitdem das Leck am 23. Oktober entdeckt wurde, haben die Betreiber den Druck verringert und so die Geschwindigkeit des entweichenden Gases um mehr als die Hälfte gedrosselt. Doch der Gestank hängt nach wie vor in der Luft. Mit einer großangelegten Aktion soll das Loch bis Ende Februar endgültig geschlossen werden.

Bis dahin bleibt die Situation heikel. Frühere Versuche, den Schaden zu beheben, haben die Lage nur verschärft: Der Boden rund um das Leck wurde in Mitleidenschaft gezogen, das Loch droht aufzureißen. Zudem ist das entweichende Gas hochentzündlich. Arbeitern wurde dort verboten, ihre Handys zu benutzen: Zu groß ist das Risiko, einen Funken zu verursachen.

Seit sie Porter Ranch verlassen hat, geht es Familie Balen besser. Das Nasenbluten hat aufgehört, die Tochter geht im Nachbarort zur Schule. Doch Ungewissheit, welche Folgen das Gasleck haben wird, quält die Familie nach wie vor. «Werden wir je nach Hause zurück kommen können?», fragt sich Balen. «Das weiß wohl niemand.»

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