Norwegen und das Öl: Die goldenen Zeiten sind vorbei

Tausende Jobs hat der Ölpreissturz schon gekostet. Was tun?

25.02.2016 - Norwegen

(dpa) Seit den 1970er Jahren gilt Norwegen in der Vorstellung vieler Menschen als ein Land, in dem unablässig Öl fließt - und damit jede Menge Geld in die Kassen des Staates. Die Rohstoff-Industrie macht hier ein Fünftel der Wirtschaftsleistung aus. Mehr als 200.000 Arbeitsplätze hängen an der Branche.

Doch seit dem Absturz der Ölpreise ist nichts mehr wie vorher. Während sich etwa deutsche Autofahrer über billiges Benzin freuen, ist die Krise der Branche für Zehntausende norwegische Arbeiter existenzbedrohend. Wird ihnen die Öl-Abhängigkeit zum Verhängnis?

Die Internationale Energieagentur (IEA) rechnet auch für das kommende Jahr mit einem Überangebot an Rohöl auf dem Weltmarkt - dies ist eine der Botschaften einer Fachkonferenz in der US-Ölmetropole Houston. Gleichzeitig sieht sie einen drastischen Anstieg der Preise bis 2021. «Selbst wenn sich der Ölpreis bis zu einem gewissen Grad erholt, wird er nicht mehr auf das hohe Niveau von vor zwei Jahren zurückkehren», glaubt aber der Wirtschaftsprofessor Steinar Holden von der Universität Oslo. Geplante Projekte seien längst auf den Prüfstand gekommen, die Investitionen in Öl und Gas dramatisch gesunken.

Der Ölmulti Statoil - zu 67 Prozent im Staatsbesitz - reagierte mit Kostenschnitten und Entlassungen. Über den Berg ist der Förderriese jedoch nicht. Vor Sonderposten verdiente er 2015 nur 19,5 Milliarden Kronen (2,05 Mrd Euro) - halb so viel wie im Vorjahr. Inklusive Sonderbelastungen machte der Konzern ein Minus von 37,3 Milliarden Kronen. Bis Ende 2016 sollen weitere Mitarbeiter und Berater gehen.

Aber nicht nur die Ölindustrie ist betroffen - auch ihre Zulieferer kämpfen. Von den Bohrinseln über die Maschinenhersteller bis hin zu Hotels und Restaurants bekommen alle die Krise zu spüren - vor allem im Südwesten des Landes, um Stavanger, wo Statoil seinen Sitz hat.

Rund 30.000 Jobs sind nach Berechnungen des Finanzdienstleisters DNB Markets schon weggefallen, seit der Ölpreis den Sinkflug angetreten hat. Die Arbeitslosenquote in Norwegen ist seit Anfang 2015 von 3,8 auf 4,6 Prozent gestiegen. «Sie ist jetzt deutlich höher als während der globalen Finanzkrise», sagt Knut Anton Mork von der norwegischen Handelsbanken. «Das Wirtschaftswachstum ist zum Stehen gekommen.»

Die Regierung in Oslo versucht gegenzuhalten - auch mit niedrigeren Steuern. Sowohl Einkommen- als auch Unternehmensteuern sollen sinken, um die Wirtschaft auf Kurs zu bringen. Dafür bedient sich Norwegen auch aus dem umgerechnet 800 Milliarden Euro schweren Pensionsfonds, der sich aus den Einnahmen aus der Öl- und Gasförderung speist. Auf Dauer muss aber eine andere Lösung her, mahnen Experten.

«Es gibt schon eine Umstellung, und die wird durch die Tatsache begünstigt, dass die norwegische Krone sehr an Wert verloren hat», meint Forscher Holden. Davon profitiert etwa die Lachs-Industrie. Für viele Branchen ist es plötzlich einfacher, Arbeiter und Ingenieure zu finden, weil die einst so attraktive Ölindustrie nicht mehr lockt.

Hoffnungen ruhen neben dem Fischexport vor allem auf dem Tourismus. «Aber auch hier sind die Effekte zu gering, um die Schwäche in der Industrie rund um das Öl auszugleichen», erklärt Mork. Auf den Lachsfarmen sei die Anzahl der möglichen neuen Jobs begrenzt.

Deshalb muss sich das Land langfristig nach anderen Wegen umsehen, attraktive Produkte zu schaffen, für die Menschen auf der ganzen Welt zahlen wollten. «Es ist schwierig vorauszusehen, welche Industrie in Zukunft in Norwegen erfolgreich sein wird. Was aber klar scheint, ist, dass die Zukunft eher auf menschlichen Einfallsreichtum als auf natürliche Ressourcen gegründet sein muss.»

Bis dahin stehen die Skandinavier auch vor Herausforderungen, die dem Öl-Reichtum geschuldet sind: Durch den Boom wurde Norwegen zu einem extrem teuren Land, jetzt ist das Kostenniveau ein Problem. «Selbst mit dem geringeren Wechselkurs ist Norwegen immer noch teuer. Es ist teuer, Arbeiter anzustellen - das muss sich ändern», sagt Mork.

Immer mehr Ökonomen fordern die Zentralbank auf, die Zinsen weiter zu senken. «Sie sind in Norwegen immer noch höher als im Rest Europas. Dazu gibt es angesichts der Wirtschaftslage keinen Grund.»

Zu übertriebener Panikmache sehen die besonnenen Norweger trotz Krise aber keinen Grund. «Wir können nicht erwarten, in Zukunft weiter so hohe Einnahmen aus der Ölindustrie zu haben», räumt Holden ein. «Aber wir haben immer noch einen ziemlich großen Pensionsfonds.» Mit dem Fonds im Rücken, der als größter seiner Art gilt und in Firmen auf der ganzen Welt investiert, müssen die Nordeuropäer wohl auch auf längere Sicht nicht um ihren Wohlstand fürchten.

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