Nanokristalle in hauchdünnen Schichten
Eine echte Perle entsteht, wenn sich um eine Verunreinigung Perlmuttschichten bilden. Ein Sandkorn, das sich zwischen Muschelschale und Mantel festsetzt, dient so als Keim für das Schmuckstück. Nach diesem Prinzip entstehen auch ultrakleine Kristalle in festen Stoffen. Sie sind eine Million Mal kleiner als eine Perle. Einer Physikerin am Institut für Festkörperphysik der Friedrich-Schiller-Universität Jena gelang es erstmals, die schrittweise Bildung dieser Nanokristalle aus einzelnen Atomen in nanometerdünnen Schichten von Siliziumcarbid zu beobachten. Die Forschungsergebnisse von Dr. Ute Kaiser, ihren amerikanischen, russischen und japanischen Kollegen, sind jüngst in der Zeitschrift "Nature Materials" erschienen. Mit ihren Beobachtungen haben sie einen langwährenden theoretischen Disput über die Entstehungsweise von Nanokristallen entschärft.
Kaisers Aufnahmen mit dem Transmissionselektronenmikroskop zeigen, dass die "Keim"-Atome der Kristalle zu haarfeinen Unregelmäßigkeiten in der Siliziumcarbidschicht (quasi den Sandkörnern in der Muschel) wandern und es nicht spontan irgendwo zur Kristallbildung kommt, wie ein Teil der Theoretiker vermutete. Dieses in ihre Habilitation eingeflossene Ergebnis ist auf den ersten Blick reine Grundlagenforschung. "Wir konnten als Erste einen Kristallbildungsprozess auf atomarer Ebene in Bildern festhalten", erklärt Dr. Kaiser. Bisher wurden nur die Endprodukte, sprich die Kristalle, beobachtet. Ihre Entstehungsgeschichte war jedoch unbekannt.
Auf den zweiten Blick ist die Lösung des "winzigen" Kristallbildungs-Problems für zukünftige Entwicklungen äußerst relevant. Einerseits wird das verwendete Siliziumcarbid von Nanotechnologen als Nachfolger des heute bei der Chipherstellung verwendeten Siliziums gehandelt. Obwohl als Rohstoff teurer, ist es wesentlich widerstandsfähiger. "Bei sehr hohen Temperaturen zum Beispiel büßt es seine interessanten elektronischen und optischen Eigenschaften nicht ein", erklärt die Physikerin. Die Nanokristalle wiederum könnten sich als Bausteine zukünftiger Nano-Schaltkreise entpuppen. Regt man die in Siliziumcarbid eingebetteten ultrakleinen Fremdlinge mit Licht oder elektrisch an, senden sie Licht bestimmter Wellenlänge aus. "Ein Ziel wäre, die Kristalle kontrolliert, zu bestimmten Größen wachsen zu lassen", erklärt Kaiser. Dann erhalte man Licht ganz bestimmter Wellenlängen.
Ausgangspunkt ist Siliziumcarbid, in das fremde geladene Teilchen, Erbium- und Germanium-Ionen, eingebracht werden. Für eine erfolgreiche Dotierung mit den Ionen-Fremdlingen, müssen diese sehr hoch beschleunigt werden. Mit Hilfe der Transmissionselektronenmikroskopie wird die dünne Siliziumcarbidschicht (50-100 Nanometer) mit Elektronen, die nahezu Lichtgeschwindigkeit haben, durchschossen. Treffen diese Elektronen beim "Durchschuss" auf verschiedene Atome, dann werden sie verschieden abgelenkt. Die abgelenkten Elektronen rufen einen unterschiedlichen Kontrast im Bild hervor. So konnte die Jenaer Physikerin die spektakulären Aufnahmen einzelner Fremdatome aber auch von Ansammlungen mehrerer Atome, so genannter Cluster, machen. Darüber hinaus traf Kaiser Aussagen über unterschiedliche Anordnungen, die verschiedene Fremdatome bevorzugt einnehmen. Damit erklärte sie die unterschiedlichen Kristallstrukturen der "Winzlinge", die so klein sind, dass ca. 1016 von ihnen in einen Stecknadelknopf passen würden.
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