Handy-Technik für die Genomanalyse

GBF-Forscher nutzen Signaltheorie zur Untersuchung von Biomolekülen

04.11.2003

Eine neuartige bioinformatische Technik soll es künftig ermöglichen, genetische Daten besser zu verstehen und zu interpretieren. Wissenschaftler der Gesellschaft für Biotechnologische Forschung (GBF) in Braunschweig haben ein Verfahren entwickelt, das Methoden der Spracherkennung und der digitalen Bildverarbeitung auf die Analyse von Genomen überträgt. In der jüngsten Ausgabe der Fachzeitschrift Bioinformatics beschreiben Dr. Helmut Blöcker (GBF) und Dr. Gerhard Kauer (zurzeit beim Bioinformatikunternehmen Biobase), wie sich die Signaltheorie auf die Untersuchung von Biomolekülen anwenden lässt.

Wenn Forscher die Erbinformation eines Lebewesens entziffert haben, erhalten sie als Ergebnis eine Abfolge von DNA-Bausteinen, den Nucleotiden. Niedergeschrieben wird diese Abfolge als Buchstabenkette - die Zeichen A,C,T und G stehen dabei für die vier verschiedenen Nucleotide. Um nun funktional interessante Motive eines Genoms leichter identifizieren zu können, wandeln Kauer und Blöcker die Buchstabenketten mittels mathematischer Verfahren in eine Kurve mit Wellen und Zackenausschlägen um - ähnlich wie die Aufzeichnungen eines Seismographen oder eines Elektrokardiogramms (EKG). Im gegenwärtigen Verfahren ergeben sich die Kurvenverläufe, indem man jeweils zwei aufeinander folgende Nucleotid-Bausteine durch den Zahlenwert ihrer so genannten "Schmelz-Enthalpie" ersetzt - das ist die Energie, die notwendig wäre, um die DNA-Doppelhelix an genau dieser Stelle zu öffnen. "Die Schmelz-Enthalpien werden durch Struktur und Biophysik der DNA festgelegt", erklärt Gerhard Kauer, "deshalb liefert das Verfahren aussagekräftige Signale."

"DNA-Kurven" statt endloser Zeichenketten

Welche Vorteile bietet nun eine Kurvendarstellung gegenüber einer Buchstabenkette? "Für Bildbearbeitung und Spracherkennung hat man bereits eine ausgefeilte Mathematik entwickelt, mit der sich solche Wellenfunktionen gut untersuchen lassen", sagt Kauer. "Man kann beispielsweise störendes Hintergrund-Rauschen herausfiltern und die wesentlichen Signale sichtbar machen. Außerdem findet man auch Ähnlichkeiten, die sich beim Buchstabenvergleich nur äußerst schwer oder langwierig erkennen lassen." Helmut Blöcker, der als Koordinator des deutschen Humangenom-Projekts an der Entzifferung der menschlichen Erbinformation beteiligt war, vergleicht das Prinzip mit der elektronischen Stimmerkennung, zu der auch neuere Mobiltelefone in der Lage sind: "Wenn Sie zweimal denselben Satz sagen, hört sich das nie exakt gleich an. Trotzdem lässt sich die Ähnlichkeit durch einen Signalvergleich erkennen."

Die Methode, so Kauer und Blöcker, sei prinzipiell auch auf andere Biomoleküle wie etwa Proteine anwendbar. Die Vision: "Vielleicht können wir mit solchen Signalanalyse-Verfahren in absehbarer Zeit auch komplexe Prozesse am Computer modellieren und simulieren - zum Beispiel die Infektion einer Zelle durch einen Krankheitserreger."

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