Restkonzern der I.G. Farben beantragt Eröffnung der Insolvenz

11.11.2003
Frankfurt/Main (dpa) - Der Restkonzern des einst weltgrößten Chemie-Konglomerats I.G. Farben hat am Montag erwartungsgemäß die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens beantragt. «Die liquiden Mittel reichen voraussichtlich nicht aus, um die demnächst fällig werdenden Verbindlichkeiten der Gesellschaft zu erfüllen», hieß es in einer Pflichtmitteilung des Unternehmens. Es sei «mit erheblichen Zahlungsausfällen im Zusammenhang mit Verpflichtungen Dritter zu rechnen». Der Liquidator der I.G. Farbenindustrie AG in Abwicklung (i.A.), Rechtsanwalt Volker Pollehn, hatte den Antrag zuvor bereits angekündigt. Er begründete dies mit Zahlungsschwierigkeiten des hoch verschuldeten Immobilien- und Beteiligungskonzerns WCM, der die Immobilien der Rechtsnachfolgerin der I.G. Farben erwerben sollte. WCM bestritt, dass dazu ein rechtsgültiger Vertrag bestehe. Es sei lediglich eine Absichtserklärung abgegeben worden. Der Chemiekonzern I.G. Farben war eng mit dem Nazi-Regime verflochten und wurde nach dem Zweiten Weltkrieg von den Alliierten zerschlagen. Die verbliebenen Reste sollen seit mehr als 50 Jahren abgewickelt werden. WCM-Vorstandschef Roland Flach habe vor wenigen Tagen in Gegenwart von Banken-Vertretern erklärt, er stehe zu dem Vertrag, sagte Pollehn. Mehrere Vereinbarungen zwischen WCM, einst selbst eine Tochter des Konzerns, und der I.G. Farbenindustrie i.A. beruhen auf komplizierten Finanztransaktionen. Der Kurs der im MDAX notierten Aktie der WCM brach am Montagvormittag um 10,22 Prozent auf einen Tiefststand von 1,23 Euro ein. Eine Sprecherin des Unternehmens wies Befürchtungen über eine bevorstehende Insolvenz zurück: «Wir kommen allen unseren Verpflichtungen nach.» Der Vorstand habe bei dem Treffen lediglich mitgeteilt, dass WCM grundsätzlich zum Kauf der Immobilien bereit sei, aber nicht zu den von der I.G. Farben verlangten Bedingungen, sagte die Sprecherin. Die Pressekonferenz in Frankfurt wurde begleitet von lautstarken Protesten. Die etwa 30 Demonstranten kritisierten, dass ehemalige Zwangsarbeiter, die von der I.G. Farben zu Zehntausenden ausgebeutet worden waren, nun leer ausgehen. Pollehn und der zweite Liquidator, der CDU-Bundestagsabgeordnete Otto Bernhardt, teilten mit, dass die Stiftung der I.G. Farben über ein Vermögen von 500 000 DM (256 000 Euro) verfüge. Geplant war, die Stiftung nach der Auflösung des Unternehmens mit weiteren Geldern auszustatten, was auf Grund der Insolvenz nun schwierig geworden sei. «Beim Konkurs der I.G. Farben muss verhindert werden, dass sich die Gläubigerbanken die letzten Millionen einverleiben», sagte ein Vertreter der «Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre» nach der Pressekonferenz. «Wir haben alles getan, diesen früheren größten deutschen Konzern mit seiner zwiespältigen Vergangenheit ordnungsgemäß abzuwickeln», sagte Pollehn, der zusammen mit Bernhardt seit 1998 als Liquidator eingesetzt ist. Neben der Auseinandersetzung mit WCM sei noch ein weiteres, 1996 durchgeführtes Finanzgeschäft für die Schieflage der I.G. Farben verantwortlich. Die I.G. Farben produzierte während des Zweiten Weltkriegs über die Tochter Degesch das Giftgas Zyklon B, das zur Ermordung von Menschen in den Konzentrationslagern eingesetzt wurde. Das Unternehmen entstand 1925 aus einem Zusammenschluss der deutschen GroßChemie. Nach der Zerschlagung durch die Alliierten gingen daraus unter anderem die Unternehmen BASF, Bayer und Hoechst (heute Aventis) hervor. Die Vermögenswerte des Restkonzerns sind bis auf die knapp 500 Wohnungen verkauft, allerdings zögerten Gerichtsverfahren und ungeklärte Ansprüche auf Vermögen in den neuen Bundesländern sowie in der Schweiz die Abwicklung immer wieder hinaus. Die Aktie wird lebhaft gehandelt und ist beliebt bei Finanzjongleuren. Am Montag notierte sie mit einem Minus von 33,80 Prozent bei 0,47 Euro.

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