EU-Kommission begrüßt Parlamentskompromiss zu Chemikalien-Verordnung
16.11.2005
(dpa) - Die Europäische Kommission hat den im Europaparlament erzielten Kompromiss zur umstrittenen Chemikalienverordnung REACH ausdrücklich begrüßt. Darin verständigten sich Konservative, Sozialisten und Liberale auf eine Entschärfung des Regelwerks zu Gunsten des Mittelstands. «Wir sehen keine Schwächung des ursprünglichen Vorschlags», sagte EU- Industriekommissar Günter Verheugen am Dienstag im Europaparlament in Straßburg. Vielmehr könnten die Ziele Umwelt- und Verbraucherschutz mit dem Kompromiss sogar besser erreicht werden, während gleichzeitig die Kosten für die Industrie gesenkt würden.
REACH (Registrierung, Evaluierung und Autorisierung von Chemikalien) verlangt von den Unternehmen, binnen elf Jahren umfassende Datensätze von rund 30 000 Stoffen zu erheben, die vor 1981 auf den Markt kamen. Sie werden zum Teil seit Jahrzehnten verwendet, ohne jemals genau untersucht worden zu sein. Eine noch zu schaffende EU-Behörde wird die Daten prüfen und die Substanzen gegebenenfalls für den Markt zulassen. Gefährliche Stoffe sollen verboten und ersetzt werden, wenn es sichere alternative Substanzen gibt. Damit sollen der Umwelt- und Verbraucherschutz entscheidend gestärkt werden. Die Industrie sieht durch Milliardenkosten ihre globale Wettbewerbsfähigkeit bedroht.
Die Kompromissvorschlag im Parlament verringert die Datenanforderungen vor allem für den Mittelstand. Umwelt- und Verbraucherschützer, Ärzteverbände sowie die Grünen und Linkssozialisten im Europaparlament warnten jedoch davor, REACH zu stark zu verwässern. Damit könne der Schutz von Mensch und Umwelt vor giftigen Chemikalien nicht mehr gewährleistet werden, kritisierte der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), der am Dienstag vor dem Parlament demonstrierte. BUND-Chemikalienexpertin Patricia Cameron sagte: «100 000 Chemikalien, die in Alltagsprodukten wie Computern, Fußböden oder Kinderspielzeug enthalten sind, wurden noch nie auf ihre Gefährlichkeit für Mensch und Umwelt getestet. Für rund 88 000 Chemikalien soll dies nach dem derzeitigen Stand des Gesetzes so bleiben.»
Hingegen betonte der CDU-Europaabgeordnete Hartmut Nassauer, der den Kompromiss mit seinem sozialistischen Kollegen Guido Sacconi ausarbeitete: «Umwelt und Verbraucherschutz sind die eindeutigen Gewinner von REACH». Entscheidend sei, dass Hersteller und Verwender von Stoffen künftig die Verantwortung für die Datenbeschaffung und den sicheren Umgang mit ihnen trügen, nicht mehr die Behörden.
Das Europaparlament stimmt am Donnerstag in erster Lesung über die Verordnung ab. Sollten die Abgeordneten dem Kompromiss zustimmen, sieht Verheugen gute Chancen, das Gesetzeswerk noch vor Ende des Jahres durch Zustimmung der Mitgliedsländer zu Ende zu bringen. Die ursprünglich für Ende November geplante Abstimmung im Ministerrat wurde allerdings auf Wunsch der künftigen Bundesregierung verschoben. dpa hs xx bb
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