AUSBLICK 2008: Chemieindustrie wird nach Boomjahren einen Gang zurückschalten

09.01.2008

(dpa-AFX) Die deutsche Chemieindustrie wird 2008 nach vier Boom-Jahren aus Sicht von Experten einen Gang zurückschalten. Das globale Umfeld bleibe aber trotz der in jüngster Zeit gestiegenen Risiken und der erwarteten Abschwächung in Nordamerika mit dem weiter kräftigen Wachstum in Asien und der robusten Entwicklung in Europa weiter günstig. "Selbst bei geringeren Wachstumsraten geht es mit der deutschen chemischen Industrie auf hohem Niveau weiter aufwärts", verbreitete der Präsident des Verbandes der Chemischen Industrie (VCI) und Henkel-Chef, Ulrich Lehner, zuletzt Zuversicht. Die für 2008 wegen der nachlassenden globalen Wirtschaftsdynamik erwartete Abschwächung erfolge vor einem "guten Hintergrund".

Der viertgrößte Industriezweig in Deutschland verzeichnet nun schon vier Jahre in Folge Wachstumsraten um die vier Prozent. Die Stimmung in der Branche sei insgesamt gut, sagte Lehner. Allerdings hätten in jüngster Zeit die Risiken zugenommen. Neben der Dollar-Schwäche drückten auch hohe Ölpreise sowie die durch die US-Immobilienkrise ausgelösten Finanzmarktturbulenzen auf die Stimmung. BASF-Chef Jürgen Hambrecht sieht gleichwohl keinen Grund für Pessimismus: "Alles, was wir heute sehen, deutet auf einen zuversichtlichen Ausblick für 2008 hin." Die fundamentale Entwicklung in Asien sei so stark, dass die Abschwächung in den USA weitgehend aufgefangen werden könne.

"Insgesamt ist zu erwarten, dass sich die konjunkturelle Aufwärtsbewegung in der chemischen Industrie leicht abgeschwächt fortsetzten wird", erwartet auch ifo-Experte Hans-Dieter Karl. Gegenwärtig sei für die deutsche Chemieindustrie ein Ende des Aufschwungs nicht zu erkennen. Die Unternehmen profitierten einerseits von der robusten Inlandskonjunktur und andererseits von ihrer starken Stellung auf dem Weltmarkt. "Die gute Wettbewerbsposition der Firmen wird auch durch die hohe Kapazitätsauslastung positiv beeinflusst", betonte ifo-Experte Karl. Auch Analyst Matthias Schell von der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) sieht die deutsche Chemieindustrie dank Zukäufen und Kostensenkungen für eine Abschwächung der Nachfrage gut gerüstet. Aus Sicht von Deutsche Bank-Experte Tim Jones dürfte der Abschwung im Petrochemie-Zyklus voraussichtlich im zweiten Halbjahr 2008 einsetzen. LBBW-Experte Schell erwartet den Branchenhöhepunkt 2007/2008. Von einem abruptem Ende sei aber nicht auszugehen.

Auch bei den Verbandsprognosen bleibt gedämpfter Optimismus Trumpf: Der VCI rechnet für 2008 mit einem Produktionswachstum in Deutschland von 2,5 Prozent nach 4,5 Prozent 2007. Die Prognosen des Verbandes gelten gemeinhin als konservativ. So wurden vom Verband für 2007 in einer ersten Schätzung von vor gut einem Jahr nur zwei Prozent Wachstum erwartet. Tatsächlich war das Wachstum angesichts der robusten globalen Entwicklung und der Belebung in Europa am Ende aber mehr als doppelt so kräftig. Verhalten optimistisch ist auch das Bild für die Europäische Union insgesamt. Der europäische Branchenverband (cefic) erwartet 2008 ein Produktionswachstum von 2,3 Prozent, nach 3 Prozent 2007. Risiken seien eine anhaltende Dollar-Schwäche sowie weiter hohe Ölpreise. Auch die Finanzmarktkrise in den USA könnte stärker als erwartet auf der Weltwirtschaft lasten.

Die Turbulenzen an den Finanzmärkten und die Verschärfung der Kreditvergabebedingungen dürften 2008 auch den Appetit von Finanzinvestoren auf die Branche dämpfen. Das Fusions- und Übernahmekarussell dürfte sich aus Sicht von Experten deutlich langsamer drehen. Nach dem Rekordübernahmevolumen in der Chemie 2007 erwarten Experten eine deutliche Abschwächung. In Europa habe es bereits eine Konsolidierungswelle gegeben, sagte Analyst Tobias Mock von der Ratingagentur Standard & Poor's. Die Unternehmen hätten in den beiden vergangenen Jahren von günstigen Krediten profitiert. Nun käme ein höheres Kreditrisiko hinzu. Daher gehen Experten 2008 von einer Beruhigung und eher kleineren Übernahmen aus. Die Übernahmen erreichten laut Experte Matthias Schell von der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) 2007 mit mehr als 75 Milliarden US-Dollar ein neues Rekordniveau. Auch der bisherige Höchstwert von gut 55 Milliarden Dollar aus dem Jahr 1999 sei damit deutlich übertroffen worden.

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