Biochemiker von der Philipps-Universität haben die Struktur einer molekularen Werkbank aufgeklärt, mit der
Bakterien eine Vielzahl von
Peptiden herstellen, darunter auch wichtige
Antibiotika und
Fungizide. Wie die Wissenschaftler um Professor Dr. Lars-Oliver Essen und Professor Dr. Mohamed A. Marahiel in der aktuellen Online-Ausgabe von "Science" berichten, bilden die untersuchten
Moleküle eine Plattform, auf der
Aminosäuren zu Ketten zusammengebaut werden. "Die Kenntnis dieses Mechanismus' eröffnet neue Möglichkeiten für die
Produktion von Arzneimitteln", erläutert Professor Essen.
Peptide sind kurze Ketten aus
Aminosäuren, im Unterschied zu den langkettigen
Proteinen.
Mikroorganismen können Peptide in weitaus größerer struktureller Vielfalt produzieren als
Proteine, für deren Herstellung komplex aufgebaute
Zellbestandteile benötigt werden, so genannte
Ribosomen. Peptide erfüllen mannigfaltige biologische Funktionen und kommen deshalb für die Entwicklung von neuen Wirkstoffen in Frage. Die
Einzeller bewerkstelligen die Pepdidsynthese mittels spezialisierter Enzymkomplexe, so genannter Nichtribosomaler Peptidsynthetasen (NRPS). Durch ihren modularen Aufbau arbeiten sie wie ein Fließband, auf dem die Peptide aus Aminosäuren zusammengesetzt werden. Jedes Modul des Enzyms übernimmt dabei eine bestimmte Funktion.
Die Marburger Forscher studierten dasjenige Modul, das für die Endfertigung des Antibiotikums Surfactin verantwortlich ist. Dieses Modul besteht aus vier Untereinheiten oder Domänen, die für die Verlängerung einer bereits bestehenden Aminosäurekette benötigt werden. Die Untersuchungen ergaben, dass zwei dieser Domänen eine
Art Montage-Plattform bilden, indem sie sich eng aneinanderlagern - nämlich die A-Domäne, die eine jeweils passende Aminosäure für die Weiterverarbeitung vorbehandelt, sowie die C-Domäne, welche die Verknüpfung der Aminosäuren beschleunigt.
Die so genannte PCP-Domäne ist als dritte Untereinheit flexibel an die Plattform gebunden, so dass sie mitsamt der an sie angehefteten Aminosäure zwischen die beiden Module der Werkbank schwenken kann. Die vierte Untereinheit ist für die Freisetzung des vollständigen Peptidantibiotikums verantwortlich. "Die Struktur dieses modularen Enzyms macht deutlich, wie die aufeinander folgenden katalytischen Schritte koordiniert werden", fassen die Wissenschaftler ihre Ergebnisse zusammen.
Der Vorteil dieser Art der
Peptidsynthese liegt unter anderem darin, dass hierbei auch unkonventionelle Aminosäuren als
Bausteine verwendet werden können, die in den körpereigenen Eiweißstoffen nicht vorkommen. Dadurch stehen weit mehr als die herkömmlichen 21 Aminosäuren zur Verfügung, so dass eine wesentlich größere Vielfalt an Verbindungen möglich ist. "Die ermittelte
Kristallstruktur regt zu weiteren Untersuchungen an, um die molekularen Fließbänder gezielt umzugestalten, so dass sie zur Produktion neuartiger
Wirkstoffe auf Peptidbasis dienen", schreiben die Autoren des "Science"-Artikels.
Originalveröffentlichung: Alan Tanovic, Stefan A. Samel, Lars-Oliver Essen & Mohamed A. Marahiel: Crystal Structure of the Termination Module of a Nonribosomal Peptide Synthetase, science 2008