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Gusseisen mit Kugelgraphit



Gusseisen mit Kugelgraphit, auch Sphäroguss (abgek. GJS, früher GGG, „globularer Grauguss“) besitzt stahlähnliche mechanische Eigenschaften.

Inhaltsverzeichnis

Definition

Gusseisen ist eine Eisen-Kohlenstoff-Legierung mit einem Kohlenstoffgehalt höher als 2,06 %. Im Unterschied zum Stahl ist der Kohlenstoff in der Form von nicht metallischem Graphit ausgeschieden. Die DIN 1693 bzw. DIN EN 1563 unterscheiden je nach der Graphitgeometrie drei Gusseisensorten: Gusseisen mit lamellarem Graphit (GJL), Gusseisen mit vermicularen Graphit (GJV) und Gusseisen mit Kugelgraphit, auch Sphäroguss genannt (GJS). Die Abkürzung GJS steht für G; Guss J; Eisen (Iron) S; kugelförmig (Sphärisch)

 

Durch Behandlung der Schmelze mit Magnesium wird die Form des Graphits beeinflusst. Die chemische Zusammensetzung des GGG liegt in der Regel in folgender Größenordnung: Kohlenstoff: 3,4 bis 3,8 %, Silizium: 2,0 bis 3,0 %, Mangan: 0,10 bis 0,60 %, Schwefel: 0,003 bis 0,015 %, Chrom maximal 0,10 %, Kupfer bei perlitischen Sorten bis 1 %.

Die Grundmasse kann je nach deren chemischer Analyse aus Ferrit bis Perlit bestehen. Das Gefüge der metallischen Grundmasse ist gleich dem Stahl und kann auch wärmebehandelt werden. Durch Wärmebehandlung wie Härten, Glühen u. ä. können die Eigenschaften des Werkstoffes verändert werden.

Geschichte

Die ersten Berichte über Anwendung von GJS-ähnlichen Legierungen stammen aus Ausgrabungen in China. Hier wurde GJS für Herstellung von landwirtschaftlichen Werkzeugen vor mehr als 2000 Jahren angewendet. In der modernen Geschichte ist es erst im Jahre 1937 auf dem Gießereiinstitut der RWTH Aachen dem Dr. Adey durch Schmelzen in hoch basischen Tiegeln gelungen, Gusseisen mit Kugelgrafit herzustellen. Fast gleichzeitig wurde auch Dr. Morrogh auf BCIRA in England mit Zugabe von Cer in die Eisenschmelze erfolgreich. Jedoch erst die Zufallsentdeckung von Keith Millis über Wirksamkeit von Behandlung der Eisenschmelze mit Magnesium in Form von Vorlegierung mit Nickel auf INCO in USA im Jahr 1942 hat die industrielle Produktion ermöglicht. Trotzdem hatte es noch bis 1948 gedauert, bis die erste industrielle Herstellung vom GJS bei der Ford Mo-Co (Kurbelwellen) begann. Die Anwendung vom GJS wurde durch hohe Lizenzgebühren an INCO gehemmt. Erst die Entwicklung von Ferrosilicium-Magnesium-Vorlegierung in Deutschland in der Mitte des 50er Jahre hat die wirtschaftliche Herstellung des GJS ermöglicht. In folgenden Jahren wurden viele weitere Behandlungsverfahren entwickelt und mehrere hundert Verfahrenspatente angemeldet. Neben den Vorlegierungen gibt es auch Verfahren, bei denen metallisches Magnesium direkt in die Schmelze zugegeben wird. Es sind dies z. B. Behandlung unter erhöhtem Druck (Autoklav), Fischer-Konverter, Magnesiumpulver im Stahlmanteldraht und viele weitere Varianten. Es werden gegenwärtig ca. 40-50 % des GJS mit Zugabe von metallischem Magnesium produziert. Im Jahr 2003 wurden weltweit ca. 15 Millionen Tonnen GJS-Guss hergestellt. Davon wurden ca. 4 Millionen Tonnen pro Jahr für Herstellung von Gussrohren angewendet.

Herstellung

  GJS-Gussstücke werden in Gießereien produziert. Als Rohmaterial werden Stahlschrott, Roheisen, Ferrosilizium und Zusatzstoffe wie Kalk, Koks, Quarz, Schotter u. ä. verwendet. Diese Einsatzstoffe werden meistens entweder in einem Elektroofen (Induktionsofen, Lichtbogenofen) oder Kupolofen chargiert und geschmolzen. Während des Schmelzprozesses wird die chemische Analyse der Schmelze je nach Bedarf durch Zugabe von Legierungen (Ferrosilicium, Ferromangan, Nickel, Aufkohlungsmittel u. a.) angepasst. Die Abstichtemperatur der Schmelze liegt zwischen 1480 und 1540 °C. Durch das Einsatzmaterial können auch Stoffe oder Elemente, welche die Bildung von Kugelgrafit erschweren oder sogar verunmöglichen, in die Schmelze gelangen. Typische Störelemente sind Blei, Arsen, Antimon, Chrom, Schwefel, Phosphor. Falls der Schwefelgehalt in der Basisschmelze für die ausgewählte Magnesiumbehandlung zu hoch ist, muss eine Entschwefelung durchgeführt werden. Der Schwefelgehalt in der Basisschmelze soll für Behandlung mit Vorlegierungen nicht höher als 0,025 % sein. Die von der Schlacke befreite Schmelze wird dann vom Ofen in ein Behandlungsgefäß (Behandlungspfanne) überführt. Darin wird die Schmelze dann entweder mit einer Magnesiumvorlegierung oder mit metallischem Magnesium behandelt. Da Magnesium ein sehr reaktionsfreudiges Metall ist und der Dampfdruck bei der Behandlungstemperatur bis zu 10 bar erreicht, ist die Reaktion von Licht und Rauch begleitet. Der Endgehalt von Magnesium in dem Gussstück liegt zwischen 0,030 und 0.060 %. Die mit Magnesium behandelte Schmelze wird dann mit Hilfe einer Gießvorrichtung (Gießpfanne, Vergießofen) in die Gussformen vergossen. Die Eigenschaften der Schmelze müssen noch vor dem Vergießen oder während des Gießens durch Impfung der Schmelze gesteuert werden. Durch die Impfung werden die Kristallisationskeime, welche für die Bildung von Kugelgrafit zwingend erforderlich sind, begünstigt, und die Bildung vom Zementit wird unterdrückt.

Eigenschaften

Die mechanischen Eigenschaften werden durch die DIN EN 1563 (Ersatz für DIN 1693) bestimmt. Die in DIN 1693 eingeführte Bezeichnung GGG für Gusseisen mit Kugelgraphit ist in der Praxis immer noch gängig. Die neue Bezeichnung nach DIN EN 1563 lautet neu EN-GJS-xxx. Es werden folgenden Sorten genannt:


DIN-EN 1563 alte Bezeichnung min. Zugfestigkeit
Rm
MPa (N/mm²)
min. 0,2% Grenze
Rp0,2
MPa(N/mm²)
min. BruchdehnungA
(%)
EN-GJS-350-22-LT GGG-35.3 350 220 22
EN-GJS-400-18-LT GGG-40.3 400 240 18
EN-GJS-400-15 GGG-40 400 250 15
EN-GJS-500-7 GGG-50 500 320 7
EN-GJS-600-3 GGG-60 600 370 3
EN-GJS-700-2 GGG-70 700 420 2
EN-GJS-800-2 GGG-80 800 480 2


Die hier aufgeführten Werte (getrennt gegossene Probestücke) sind nur ein Auszug aus der Norm, für genauere Informationen muss man den aktuellen Normtext konsultieren. Gusseisen mit Vermiculargraphit (GJV) ist nach VDG-Merkblatt W50 spezifiziert. Bainitisches Gusseisen mit Kugelgraphit (ADI) ist in der DIN EN 1564 genormt.

Anwendungsbereich

Wegen der hervorragenden mechanischen Eigenschaften, der relativ kostengünstigen Herstellbarkeit sowie guten Bearbeitbarkeit fand GGG breite Verwendung in der Industrie. Von den 15 Mio. t/Jahr (zum Vergleich 37 Mio. t/J GJL, 6.3 Mio. t/J Stahlguss und 0,9 Mio. t/J Temperguss) hergestellten GJS werden ca 30 % für die Herstellung von Rohren im Schleudergussverfahren mit Durchmessern von 60 bis 2400 mm verbraucht. Der Anwendungsbereich erstreckt sich auf Wasser- und Gasleitungen. Der Einsatz ist auch für Unterdruckleitungen möglich. Des Weiteren werden Rohre aus duktilem Gusseisen als Druckleitungen oder für Leitungen in schwierigem Gelände und bei höheren Beanspruchungen eingesetzt. Erdverlegte Gussrohre müssen einen äußeren und inneren Korrosionsschutz erhalten.

Etwa 45 bis 50 % werden für die Herstellung von Gussteilen für die Fahrzeugindustrie verbraucht. Hier werden zahlreiche, früher aus Stahlguss oder geschmiedetem Stahl hergestellte und geschweißte Fahrzeugteile durch wesentlich wirtschaftlichere Gussteile aus GJS ersetzt. Insbesondere werden sogenannte Sicherheitsteile wie Kurbelwellen, Nockenwellen, Pleuel, Raumlenker, Radnaben, Lkw-Radsterne, Achsbrücken, Schwenklager usw. aus GJS fabriziert.

Es werden auch große dickwandige Gussstücke bis zu Gewichten von 300 t wie Turbinengehäuse, schwere Maschinenkomponenten sowie landwirtschaftliche Maschinenteile und Teile für den allgemeinen Maschinenbau aus GJS produziert. GJS ist der einzige Eisengusswerkstoff, welcher konstante Zuwachsraten in der Herstellung aufweist.

Castor-Behälter für den Transport von radioaktivem Material sind zum größten Teil aus GJS gefertigt.

 
Dieser Artikel basiert auf dem Artikel Gusseisen_mit_Kugelgraphit aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der GNU-Lizenz für freie Dokumentation. In der Wikipedia ist eine Liste der Autoren verfügbar.
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