Chemiebranche wartet auf den Aufschwung

27.08.2009 - Deutschland

(dpa) Leise Hoffnung, aber noch keine Entwarnung: Die Chemiebranche hofft nach einem drastischen Einbruch der Geschäfte im Zuge der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise wieder auf etwas bessere Zeiten. Die Branche bekommt konjunkturelle Auf- und Abschwünge in der Regel sehr früh zu spüren, weil sie wichtige Industrien wie etwa die Automobil- oder Bauindustrie mit Vorprodukten beliefert. Der Arbeitsplatzabbau fiel in Deutschlands viertgrößter Industriebranche trotz heftiger Produktionseinbußen bisher moderat aus - nicht zuletzt, weil die Unternehmen flexible Instrumente nutzen können, die der Tarifvertrag bietet.

Große deutsche Chemieunternehmen wie BASF, Lanxess und Altana hatten im zweiten Jahresviertel erneut Umsatz- und Ergebniseinbrüche hinnehmen müssen. Im Ausland war die Lage nicht besser: So schrieb etwa der Schweizer Spezialchemiekonzern Clariant zuletzt rote Zahlen und rechnet gar mit einer langanhaltenden Nachfrageschwäche. Der US-Chemiekonzern Dow Chemical fuhr im zweiten Quartal einen Verlust von 435 Millionen US-Dollar (305 Mio Euro) nach einem Überschuss von 24 Millionen Dollar im Vorjahr ein.

Besser erging es der Darmstädter Merck und Bayer aus Leverkusen. Beide Konzerne litten zwar ebenfalls unter dem Abschwung in der Chemie, konnten aber einen Großteil des Rückgangs mit ihrer konjunkturrobusteren Pharmasparte abfedern. Als Stütze erwies sich für viele Unternehmen auch das Geschäft mit Chemikalien für die Landwirtschaft.

Nach monatelanger Talfahrt sehen die meisten Unternehmenschefs nun die Talsohle erreicht. Dennoch wagte kaum einer von ihnen nach dem ersten Halbjahr eine konkrete Prognose für das Gesamtjahr. Sicher ist für die reinen Chemieunternehmen, dass Erlöse und Ergebnisse zum Teil deutlich unter dem Vorjahresniveau liegen werden. Das Geschäftsumfeld sei «nach wie vor schwierig», Rückschläge seien nicht auszuschließen, sagte Lanxess-Chef Axel Heitmann jüngst.

Der Branchenverband VCI geht nach wie vor davon aus, dass die Chemieproduktion in Deutschland in diesem Jahr um zehn Prozent schrumpfen wird. Daran ändern auch die jüngsten etwas positiveren Konjunkturdaten nichts - ein leichtes Anziehen der Konjunktur im zweiten Halbjahr war in der Prognose bereits angenommen worden, erläutert ein VCI-Sprecher.

Angesichts dieses drastischen Rückgangs fällt der Jobabbau bislang eher moderat aus. Vor allem dank der Kurzarbeit beschäftigte die Branche im ersten Halbjahr im Vergleich zum Vorjahreszeitraum «nur» 0,5 Prozent weniger Mitarbeiter (439.500). Die Chemiebranche hat aber auch noch andere Möglichkeiten, auf geringere Nachfrage zu reagieren. Die wichtigsten Stichworte sind Entgelt- und Arbeitszeitkorridor.

So kann ein Unternehmen im Notfall - und mit Zustimmung der Arbeitnehmerseite - die Entgelte befristet um bis zu zehn Prozent senken oder die Arbeitszeit um bis zu 2,5 Stunden absenken. Ende Juni hatten 140 Unternehmen erstere und 168 Betriebe zweitere Möglichkeit genutzt, beide Maßnahmen können auch kombiniert werden. Betroffen waren immerhin 53.000 beziehungsweise 72.000 Beschäftigte. Im Gegenzug wurden häufig Arbeitsplatzgarantien vereinbart. «Mit all diesen Maßnahmen ist es uns gelungen, größere Entlassungswellen in der Chemie zu verhindern», sagt ein Sprecher der Gewerkschaft IG BCE.

Probleme bleiben. Neben der momentanen Absatzflaute könnte auch der wieder steigende Ölpreis den Chemieunternehmen zu schaffen machen. Seit seinem Tief im Dezember hat er sich bis heute fast verdoppelt. Öl ist der mit Abstand wichtigste Rohstoff für die Chemieindustrie.

Die Unternehmensberatung Deloitte sieht die Chemiebranche an einem Wendepunkt. Sie rechnet in den kommenden zwei Jahren mit einer Konsolidierung in der Branche und einer Auslagerung der Produktion in Länder mit niedrigen Kosten. Die Chemieindustrie sollte nach Ansicht der Experten allerdings auch von den weltweiten Konjunkturprogrammen profitieren, da ein großer Teil des Geldes etwa in den USA oder China in den öffentlichen Bausektor geht.

Für manchen kamen die Konjunkturpakete zu spät, erste Opfer hat der Wirtschaftsabschwung auch unter den großen Playern der Branche gefordert. So beantragte der unter hohen Schulden ächzende niederländisch-amerikanische Konzern LyondellBasell Anfang Januar Gläubigerschutz nach US-Recht, weil die Nachfrage nach den hergestellten Kunststoffen dramatisch zurückgegangen war.

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