Ausblick 2010: Chemie nach Krise wieder auf Wachstumskurs

Niveau niedrig

21.12.2009 - Deutschland

(dpa-AFX) Das Schlimmste der Wirtschafts- und Finanzkrise sieht die Chemieindustrie hinter sich: Nun macht sich für das kommende Jahr nach dem stärksten Nachfrageeinbruch seit der Ölkrise vor 35 Jahren wieder zunehmend Hoffnung auf eine Erholung breit. "Es geht jetzt wieder bergauf", sagte Präsident Ulrich Lehner vom deutschen Verband der Chemischen Industrie (VCI) Anfang Dezember. Deutschlands viertgrößter Industriezweig rechnet 2010 mit einem Produktionsanstieg um fünf Prozent. Dennoch warnte Lehner vor zu großer Euphorie: "Wir kommen aus einem tiefen Tal. Der Weg zurück zum Gipfel, auf dem die Chemie noch im ersten Halbjahr 2008 stand, wird mehrere Jahre in Anspruch nehmen." Rückschläge seien nicht auszuschließen.

Der europäische Branchenverband (CEFIC) sieht 2010 insgesamt als ein Übergangsjahr. Nach einem scharfen Produktionseinbruch um 12,4 Prozent 2009 prognostiziert der Verband für 2010 ein Wachstum von 4,7 Prozent. Die derzeitige konjunkturelle Erholung sei moderat und fragil und gehe noch stark auf die Konjunkturprogramme der Regierungen zurück. Von einem neuerlichen Produktionseinbruch geht der Verband jedoch nicht aus. Allerdings dürfte die Wachstumsdynamik nach einem starken ersten Quartal im Verlauf des kommenden Jahres abebben. Es werde noch mehrere Jahre dauern, bis das Vorkrisenniveau in der Chemieindustrie wieder erreicht werde.

Milliardenschwere Konjunkturpakete wirken

Die Erholung der Chemieindustrie wird derzeit besonders durch die starke Nachfrage Asiens insbesondere in China angetrieben. Milliardenschwere Konjunkturpakete wirken dort bereits. Auch in den USA und in Europa wurden zahlreiche staatliche Programme zur Ankurbelung der Wirtschaft aufgelegt. "Es ist noch zu früh, um zu sehen - speziell durch die Konjunkturprogramme - wie nachhaltig die Nachfrage sein wird", sagte Analyst Norbert Barth von der WestLB. Auch BASF-Chef Jürgen Hambrecht geht für 2010 erneut von einem schwierigen Jahr aus: "Die Erholung der Weltwirtschaft wird unsteter verlaufen, weil die Wirkung der Konjunkturprogramme nachlässt und die Leitzinsen wohl wieder steigen." Gleichzeitig bestünden immer noch große Überkapazitäten in der Chemieindustrie.

"Es gibt ein zu großes Angebot", sagt auch Chemiespezialist Tobias Mock von der US-Ratingagentur Standard & Poor's (S&P). Die Nachfrage sei seit zwei Jahren rückläufig. Und bis 2013 kämen jährlich etwa sieben neue Großanlagen zur Aufspaltung von Rohbenzin (Cracker) mit einer Kapazität von jeweils rund einer Million Tonnen hinzu. Etwas mehr als die Hälfte der neuen Anlagen seien im Mittleren Osten und 40 Prozent im restlichen Asien in Planung. Der Konkurrenzdruck bei vielen Chemieunternehmen dürfte also weiter steigen. Da die Nachfrage nach Basischemikalien mit der Kapazitätsausweitung nicht Schritt halten dürfte, hält Mock die Schließung von Anlagen für wahrscheinlicher. Von dem Wettbewerbsdruck sollten europäische Chemiefirmen wie etwa BASF, Rhodia und Lanxess stärker betroffen sein als US-Unternehmen.

Margendruck bleibt stark

Auch ein Jahr nach dem Höhepunkt der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise bleibt der Margendruck in der Chemieindustrie laut VCI-Präsident Ulrich Lehner "sehr stark". Die Chemiebranche bekommt konjunkturelle Auf- und Abschwünge in der Regel sehr früh zu spüren, da sie wichtige Industrien wie etwa die Automobil- oder Bauindustrie mit Vorprodukten beliefert.

Früh steuerten die deutschen Chemieunternehmen dem weltweiten Nachfrageeinbruch mit flexiblen Arbeitszeitmodellen wie Kurzarbeit entgegen. Der Arbeitsplatzabbau fiel daher vergleichsweise zu den heftigen Produktionseinbußen moderat aus. Im laufenden Jahr sank die Zahl der Beschäftigten in der deutschen Chemie um 1,5 Prozent auf 435.000. Für 2010 rechnet der VCI mit einem leichten Beschäftigungsaufbau. Skeptischer zeigt sich hingegen die Beratungsgesellschaft A.T. Kearney: "Vielerorts laufen derartige Kurzfristmaßnahmen nun aus, 2010 stehen im äußersten Fall 35.000 Stellen auf dem Spiel."

Sparprogramme

Die meisten Chemieunternehmen in Europa hatten auf den Nachfrageeinbruch bereits früh mit Sparprogrammen reagiert. So will der Chemiekonzern BASF von 2012 an jährlich mehr als eine Milliarde Euro einsparen, ein Großteil davon soll 2009 und 2010 erreicht werden. Der Gasehersteller Linde will in den kommenden vier Jahren insgesamt 650 bis 800 Millionen Euro Kosten reduzieren. Und Lanxess plant Einsparungen von insgesamt rund 360 Millionen Euro bis 2012. "Es werden noch mehr Programme kommen", erwartet S&P-Experte Mock. Zuletzt kündigte Hambrecht weitere Maßnahmen an: "Wir schließen unrentable Anlagen, auch ganze Standorte." Davon seien Arbeitsplätze betroffen.

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