Kohlenstoffmaterial mit einzigartiger Struktur entdeckt

“Das von uns synthetisierte Material ist ein Zwitter: Es bildet erstmals eine Brücke zwischen kristallinen und amorphen, also völlig ungeordneten Strukturen"

29.11.2021 - Deutschland

Forscher der Universität Bayreuth haben gemeinsam mit Partnern in China und den USA erstmals ein Kohlenstoffmaterial hergestellt, das nicht die streng geordneten Strukturen eines Kristalls aufweist, aber auch nicht amorph ist. Es handelt sich um parakristallinen Diamant mit einzigartigen optischen, mechanischen und thermophysikalischen Eigenschaften. Das Material bietet wichtige Anhaltspunkte für das Verständnis nichtkristalliner Materialien sowie für die gezielte Synthese weiterer neuer Kohlenstoffmaterialien. In “Nature” stellt das internationale Team seine Entdeckung vor.

(c) Hu Tang

Kristalliner Diamant (li.) und parakristalliner Diamant (re.). Rechts sind Einheiten aus würfelförmig angeordneten Kohlenstoffatomen türkis, aus hexagonal angeordneten Kohlenstoffatomen gelb markiert. Unregelmäßige Strukturen sind rot gekennzeichnet.

Diamant ist ein außerordentlich hartes Material, das auf natürlichem Weg unter extrem hohen Drücken im Erdinneren entsteht. Es setzt sich aus Kohlenstoffatomen zusammen, die eine dreidimensionale kristalline Gitterstruktur bilden. Innerhalb dieser Struktur hat jedes Kohlenstoffatom vier kovalente Bindungen. Dabei verteilen sich die vier Elektronen, die an diesen Bindungen beteiligt sind, in einer charakteristischen Weise auf die Orbitale des Atoms. Daher wird der Zustand, in dem sich die Kohlenstoffatome eines Diamants befinden, auch als “sp3-Hybridisierung” bezeichnet. Diamant kommt in vielen Kristallformen vor, die bekanntesten sind der kubische Diamant (CD) und der hexagonale Diamant (HD). Die Synthese von nicht-kristallinem Diamant war jedoch bisher technisch schwierig, was das wissenschaftliche Verständnis seiner Struktur, seiner Eigenschaften und seines Synthesemechanismus einschränkte.

Eine Forschergruppe unter der Leitung von Prof. Dr. Tomo Katsura am Bayerischen Geoinstitut (BGI) der Universität Bayreuth hat nun aber kürzlich eine neue Ultrahochdrucktechnik mit Hilfe einer großvolumigen Multi-Anvil-Presse (MAP) entwickelt. Diese Technik setzten die Forscher ein, um nichtkristallinen Diamant in Millimetergröße zu synthetisieren. Bei einem Druck von 30 Gigapascal und einer Temperatur von mehr als 1.300 Grad Celsius hatten sie Erfolg: Im Zustand der sp3-Hybridisierung bildeten die Kohlenstoffatome eine großflächige nicht-kristalline Struktur, in der sich regelmäßig aufgebaute Einheiten identifizieren lassen.

“Das neue Material kann als ein parakristalliner Diamant beschrieben werden, der sich von allen bisher bekannten strukturellen Abwandlungen von Diamant unterscheidet. Es besitzt eine nicht-amorphe Struktur, in der die Kohlenstoffatome teils in Würfeln, teils in Sechsecken, teils in unregelmäßigen Strukturen angeordnet sind. Die ungewöhnlichen physikalischen Eigenschaften des neuen Materials sind nicht richtungsabhängig und voraussichtlich geeignet, die Erforschung von Hochdruckmaterialien weiter voranzubringen”, sagt Erstautor Dr. Hu Tang vom Bayerischen Geoinstitut. “Das von uns synthetisierte Material ist ein Zwitter: Es bildet erstmals eine Brücke zwischen kristallinen und amorphen, also völlig ungeordneten Strukturen. Es wird die Materialforschung dazu anregen, gezielt nach weiteren neuen Materialien in diesem Zwischenbereich zu suchen”, sagt Prof. Dr. Tomo Katsura, Professor für geowissenschaftliche Hochdruckforschung am BGI.

Der parakristalline Diamant wurde an einer Hochdruckpresse im BGI synthetisiert. Bei der Analyse seiner Strukturen und Eigenschaften waren sowohl Experimente unter hohen Drücken und Temperaturen als auch aufwändige Computersimulationen beteiligt. Die Bayreuther Wissenschaftler haben dabei mit Forschungspartnern in China und den USA eng kooperiert, insbesondere mit Dr. Huiyang Gou am Center for High Pressure Science and Technology Advanced Research in Peking, Prof. Dr. Ming-Sheng Wang an der Xiamen-Universität, China, und Prof. Howard Sheng an der George Mason University in Fairfax.

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