Das Krisenjahr 2009 hinterläßt deutliche Spuren in der Forschungs-
und Entwicklungsbilanz (F&E) der deutschen Unternehmen: Erstmals seit
1997 reduzierten diese ihre Budgets für Innovationsprojekte um 3,1%.
Da allerdings gleichzeitig die Umsätze der untersuchten Konzerne um
drastische 9,5% zurückgingen, ist die Innovationsintensität
(Verhältnis des Innovationsetats zum Umsatz) leicht gestiegen.
Deutsche Konzerne verteidigen auch 2009 vor
Frankreich und der
Schweiz den Titel als Innovations-Europameister. So stehen deutsche
Unternehmen mit 27,7 Mrd. Euro (Vorjahr 28,6 Mrd. Euro) immer noch
für 7,6% (Vorjahr 7,9%) der weltweiten F&E-
Investitionen.
Weltweit sanken die F&E-Ausgaben gegenüber 2008 um 3,5% auf 363 Mrd.
Euro, wobei die US-Konzerne mit -3,8% und Europa mit moderaten -0,2%,
noch glimpflich davongekommen sind. Als große Ausnahme des globalen
Abwärtstrends erweisen sich zwei asiatische Wachstumsmärkte:
China
und
Indien erhöhten ihre F&E-Budgets gegenüber dem Vorjahr zusammen
um gewaltige 41,8%. Dabei spielt die weitgehende Resistenz dieser
beiden Länder gegen die globale
Rezession eine ebenso große Rolle wie
die niedrige Ausgangsbasis. Denn das gesamte F&E-Investitionsvolumen
der chinesischen und indischen Unternehmen macht lediglich 1% der
global allokierten Innovationsbudgets aus.
Das sind die zentralen Ergebnisse der aktuellen "Global Innovation
1.000"-Studie der internationalen Strategieberatung
Booz & Company.
Diese untersucht jährlich die F&E-Budgets und -Strategien der 1.000
Unternehmen mit den weltweit höchsten Ausgaben in diesem Bereich.
Innovation wird zum entscheidenden Standortfaktor
Die Zahlen sind auch ein Indiz dafür: Der Innovations- und
Forschungsstandort
Deutschland kann trotz des rezessionsbedingten
Rückgangs im letzten Jahr noch immer aus einer Position der
Stärke
heraus agieren. Die enormen Steigerungsraten in China und
Indien
verdeutlichen aber auch, welche Ressourcen und strategische Bedeutung
die dort angesiedelten Unternehmen dem Thema Innovation zuteil werden
lassen. "Das Label 'Engineered in Germany, produced in China'
substituiert in den letzten Jahren zunehmend das traditionelle
Qualitätssiegel 'Made in Germany'. Wenn deutsche Unternehmen ihre
F&E-Investionen nach dem Rückgang im Krisenjahr 2009 auch am Standort
ihrer Zentrale nicht wieder deutlich erhöhen, steht mittelfristig auf
immer mehr Erfolgsprodukten wohl 'Engineered & produced in China'.
Weitere und vor allem zukunftsträchtige Wertschöpfung ginge dann für
unsere Volkswirtschaft langfristig verloren", sagt Stefan Eikelmann,
Sprecher der deutschen Geschäftsführung von
Booz & Company. Seine
Empfehlung: "Die Politik muss die förderpolitischen und strukturellen
Voraussetzungen für Innovationen schaffen sowie
Investitionen in
Zukunftstechnologien regulatorisch und auch steuerlich stärker
begünstigen. Nur so kann
Deutschland Innovations-Europameister
bleiben und auf globaler Ebene mit Forschungsstandorten wie den USA
sowie langfristig China und Indien mithalten."
Automobilbranche tritt auf die Innovationsbremse
Noch immer konzentrieren sich mit 64% fast zwei Drittel der globalen
F&E-Ausgaben auf drei Branchen: Gesundheit/Pharma,
Elektronik/Computer und
Automobilindustrie. Auch wenn der
Automobilsektor 2009 ca. 15% der weltweiten F&E-Ausgaben tätigte,
trat dieser im weltweiten Branchenvergleich am heftigsten auf die
Innovationsbremse. Trotz akut notwendiger Investitionen in die
Entwicklung alternativer und CO2-sparender Antriebstechnologien
senkten Hersteller wie Zulieferer die F&E-Ausgaben um insgesamt
14,3%. Eine der wenigen Ausnahmen:
Volkswagen gab gegen den
Branchentrend 133 Mio. Euro und damit ca. 3,6% mehr als im Vorjahr
für neue Fahrzeug- und Antriebskonzepte aus. "Es ist keine
Überraschung, dass die weltweite Rezession 2009 auch die globalen
Top-Innovatoren eingeholt und zu entsprechenden Einsparungen
gezwungen hat", so Stefan Eikelmann. "Die deutsche Industrie ist
mittlerweile auf einen starken Wachstumspfad zurückgekehrt. Die
Unternehmensgewinne erreichen schon fast wieder das Vorkrisenniveau.
Jetzt kommt es darauf an, die Innovationsaktivitäten kräftig
hochzufahren, diese im Einklang mit den Kernkompetenzen zu
fokussieren und damit die Wettbewerbsposition nachhaltig
abzusichern."
Wie im Vorjahr liegt die IT- und Elektronikbranche beim
F&E-
Investment mit einem Anteil von 27% an der Spitze. Die
Pharma-Unternehmen sind mit 11,2% bei der Innovationsintensität
Spitze. Insgesamt allokiert die Branche 113 Mrd. US$ für die
Erforschung neuer
Wirkstoffe und
Therapien. Das entspricht 22% der
weltweiten F&E-Investitionen. Dennoch ist auch hier ein leichter
Abwärtstrend zu verzeichnen. Die Steigerungsrate der F&E-Budgets fiel
mit 1,5% deutlich geringer aus als im Vorjahr (8,3%).
Neun deutsche Unternehmen befinden sich unter den globalen Top 100
Die vordersten Plätze des "Innovation 1.000-Rankings" von Booz &
Company nach Höhe der Ausgaben belegen
Roche,
Microsoft und Nokia.
Toyota wurde von seinem Spitzenplatz auf Rang vier verdrängt. Die
Positionen fünf bis zehn gehen an
Pfizer,
Novartis, Johnson&Johnson,
Sanofi-
Aventis,
GlaxoSmithKline sowie Samsung.
Trotz sinkender F&E-Ausgaben in Deutschland sind mit
Volkswagen (15),
Siemens (16),
Daimler (26),
Bayer (29),
BMW (32),
SAP (54),
BASF
(60),
Continental (62) und
Merck (65) neun deutsche DAX 30-Mitglieder
in den Top 100 der "Global Innovation 1.000" vertreten.
Design der Studie "Global Innovation 1.000" von Booz & Company
Für die Studie identifiziert Booz & Company die Top 1.000 der
globalen Unternehmen, die ihre F&E-Ausgaben veröffentlichen. In einem
zweiten Schritt wurden für die Studie die wichtigsten Finanz-,
Umsatz-, Ertrags-, Kosten- und Profitabilitätskennzahlen der
vergangenen sechs Jahre analysiert und in Zusammenhang mit den
historischen Ausgaben für F&E gebracht. Die Zuordnung der Unternehmen
zu Regionen folgt der Angabe des Unternehmensitzes. Die F&E-Ausgaben,
die
Siemens etwa in den USA tätigt, fließen somit in die Region
Europa ein.