Generika-Hersteller machen Pharmaunternehmen das Leben schwer

28.03.2003
FRANKFURT (dpa-AFX) - Preisbrecher auf dem Pharmamarkt machen führenden Originalherstellern wie AstraZeneca, Eli Lilly und Bristol-Myers Squibb zunehmend zu schaffen. Das Erfolgsrezept der unliebsamen Konkurrenz: Sie bieten Generika an. Das sind Medikamente, die nach dem Patentablauf eines Originalpräparats deutlich günstiger auf den Markt gebracht werden. Wenn die preiswerten Nachahmer auf den Markt drängen, können die Umsätze der Pharmakonzerne mit den Originalprodukten innerhalb weniger Wochen oder Monate um 50 bis 80 Prozent einbrechen. "In den kommenden zwei Jahren laufen Patente für Medikamente mit einem Umsatz von 1,3 Milliarden Euro ab, und wir erwarten, dass der Marktanteil der Generikahersteller am Pharmamarkt weiterhin steigen wird", sagte Dietmar Buchberger, Geschäftsbereichleiter Arzneimittelsicherheit des Deutschen Generikaverbandes der Wirtschaftsnachrichtenagentur dpa-AFX. Ähnlich optimistisch äußerte sich auch Hartmut Retzlaff, Vorstandsvorsitzender der Bad Vilbeler STADA AG, der bis 2006 ein Marktvolumen von 5 Milliarden Euro für möglich hält. VERZÖGERUNGSTAKTIK GEGEN UNLIEBSAME KONKURRENZ Die Originalhersteller setzten alles daran, die Zulassung der billigeren Pillen zu verhindern. Wenn dies nicht gelinge, griffen die Großunternehmen zu Verzögerungstaktiken, um die Markteinführung und die Vermarktung aufzuhalten, so Buchberger. Während beispielsweise in Deutschland der Patentschutz für das Originalantibiotikum Ciprobay (Wirkstoff: Ciprofloxacin) des Leverkusener Pharma- und Chemiekonzerns Bayer Mitte 2001 abgelaufen ist, versucht Bayer drohende Umsatzeinbußen in den USA durch eine Patenterweiterung für die Behandlung von Kindern zu verlängern. "Die Methode der sogenannten pädiatrischen Verlängerung, also der Patenterweiterung zur Behandlung von Kindern, ist bei Pharmaunternehmen sehr beliebt, um die unliebsame Konkurrenz vom Markt fern zuhalten", sagte Buchberger. "Bayer versucht das Patent, das eigentlich im Dezember 2003 ausläuft, bis Juni 2004 verlängern zu lassen", sagte ein Bayer-Sprecher dieser Nachrichtenagentur kürzlich. "Den Antrag wird Bayer nach Abschluss von klinischen Studien voraussichtlich im vierten Quartal 2003 bei der amerikanischen Gesundheitsbehörde FDA stellen." Zudem hat Bayer 1997 mit dem US-Generikahersteller Barr Laboratories ein außergerichtliches Abkommen in einem Patentstreit getroffen, das Barr bereits sechs Monate vor Patentablauf (early entry) die Einführung einer billigeren Nachahmerversion von Ciprobay ermöglichen soll. Die Vereinbarung sieht vor, dass Bayer in diesen sechs Monaten Cipro-Tabletten an Barr liefert. Barr wird diese dann zu einem deutlich niedrigeren Preis als das Original auf den Markt bringen. MITTLERWEILE RUND 20 ANBIETER FÜR CIPROFLOXACIN "Alleine auf dem deutschen Pharmamarkt tummeln sich mittlerweile rund 20 Anbieter, die Produkte mit dem Wirkstoff Ciprofloxacin auf dem Markt haben", sagte Buchberger. Größter generischer Anbieter ist Hexal mit dem Produkt "Ciprohexal". Neben Hexal und der Generikatochter von Merck KgaA, merck-dura, bietet auch die im MDAX gelistete STADA Arzneimittel AG mit "Ciprofloxacin-Stada" ein Generikum an. Das Breitband-Antibiotikum Ciprobay war nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 in den USA auch als Mittel gegen Milzbrand (Anthrax) eingesetzt worden. Nach rund 2 Milliarden Euro in 2001 brach der weltweite Umsatz im vergangenen Jahr um 28 Prozent auf 1,41 Milliarden Euro ein. HEXAL FÜHRT SIMVAHEXAL EIN Ein early-entry-Recht hat sich auch der zweitgrößte deutsche Generikaanbieter Hexal von der US-Pharmafirma Merck & Co für ein Nachahmerprodukt zu dem umsatzstarken Merck-Cholesterinsenker Zocor erkauft. "Das Hexal-Medikament mit dem Wirkstoff Simvastatin ist der dickste Brocken auf dem deutschen Generikamarkt in diesem Jahr", beurteilte Jäcker die Markteinführung von Simvahexal Mitte März. Simvahexal werde bis zu 40 Prozent preiswerter als das Originalprodukt Zocor sein, hieß es von Hexal. Cholesterinsenker, so genannte Statine, gehören zu den weltweit am häufigsten verabreichten Medikamenten. "Wenn es Hexal gelingt, seinen Anteil am Kuchen zu verteidigen, auch wenn andere Generikaanbieter auf den Markt drängen, dann hat sich der Preis für die frühere Generikaexklusivität gelohnt", sagte Jäcker. Auch STADA und Ratiopharm werden rechtzeitig zum Auslauf des Patentschutzes Anfang Mai einen eigenen generischen Cholesterinsenker auf den Markt bringen. Generikahersteller haben 2002 einen Umsatz zu Generikaabgabepreisen laut IDC-Health von 5,2 Milliarden Euro erwirtschaftet. "Am Markt für patentfreie Produkte haben die Generikaanbieter derzeit rund 68 Prozent und am Gesamtmarkt sind es nach NDCHealth-Angaben rund 27 Prozent", so Jäcker.

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