Wie Antibiotika-Moleküle wirklich auf Erreger wirken

Chemiker von der Universität Jena an neuem Sonderforschungsbereich beteiligt

03.06.2003
Jeder dritte Todesfall weltweit ist auf Infektionskrankheiten zurückzuführen. Gegen solche Krankheiten - wie Malaria oder Tuberkulose - existieren zwar Arzneimittel, aber ihre Wirkung ist nicht immer effektiv, vor allem bei unbekannten Krankheitserregern. Der "Erkennung, Gewinnung und funktionalen Analyse von Wirkstoffen gegen Infektionskrankheiten" widmet sich ein neuer Sonderforschungsbereich (SFB), den die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) zum 1. Juli an der Universität Würzburg (Sprecher: Prof. Dr. Gerhard Bringmann) einrichtet. Beteiligt ist auch Prof. Dr. Jürgen Popp von der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Der Lehrstuhlinhaber für Physikalische Chemie, der im letzten Jahr dem Ruf aus Würzburg nach Jena folgte, nimmt mit Teilen seiner Arbeitsgruppe, die sich noch in Würzburg befinden, als externer Wissenschaftler am neuen SFB teil. Ziel des Sonderforschungsbereichs ist es, neue Wirkstoffe gegen - vor allem tropische - Infektionskrankheiten zu entwickeln oder die vorhandenen zu optimieren. Denn die Erreger sind zwar zum Teil bekannt, werden aber immer widerstandsfähiger und entwickeln sich ständig weiter. Wirkstoffe wie Antibiotika oder Antimalariamittel existieren bereits, "doch der Beweis, wie sie auf molekularer Ebene wirken, fehlt bisher", weist Prof. Popp auf sein Aufgabengebiet. Um diesen Beweis zu führen, setzt er schwingungsspektroskopische Methoden ein, die den Wirkstoff charakterisieren und seine Wechselwirkung mit dem Zielmolekül im Organismus (dem Target) auf molekularer Ebene bestimmen sollen. Dafür ist es zunächst notwendig, den Wirkstoff im riesigen Komplex der biologischen Zelle zu erfassen - vergleichbar der Aufgabe, ein einzelnes Steinchen in einem winzigen 1000-Teile-Puzzle zu erwischen. Bei dieser Lokalisierung hilft Popp eine optische Pinzette. Ihr Laser fischt eine einzelne Zelle aus dem Zellverband heraus, um daran spektroskopische Untersuchungen durchzuführen. Die mittels Lichtstreuexperimenten gewonnenen Spektren ergeben einen individuellen Fingerabdruck der Zelle. Die biologische Umgebung des Wirkstoffs wird nun, so ist es im neuen Projekt geplant, künstlich um den Wirkstoff herum aufgebaut. Jede Veränderung der Zelle erzeugt ein verändertes Spektrum. "So hoffen wir, die Wechselwirkungen zwischen Wirkstoff und Zelle ermitteln und anschaulich darstellen zu können", so der Jenaer Forscher - "von Interesse ist hierbei vor allem der Wirkmechanismus, nicht die Wirkung des Stoffs", betont Popp. Das Auslesen der Informationen aus den Spektren funktioniert nur im Einklang mit der Theorie. Deswegen ist eine enge Kooperation mit den Theoretikern aus dem neuen SFB geplant, damit die Spektren bzw. die auftretenden Veränderungen genau verstanden werden können. "Mittels verschiedener experimenteller Tricks ist die angewandte Methode, die man auch Resonanz-Raman-Spektroskopie nennt, in der Lage, eine sehr, sehr kleine Menge des Wirkstoffs in geringster Konzentration nachzuweisen", ist sich Popp sicher, der es "äußerst spannend findet, der Natur auf die Finger zu schauen". Unterstützt wird diese Strategie auch durch australische Wissenschaftler. Ihre Gruppe beginnt gerade ähnliche Experimente und hat damit den wissenschaftlichen Wettkampf gestartet, wie Popp jüngst während einer Tagung erfuhr. Für ihn und seine Arbeitsgruppen in Würzburg und Jena, die noch stärker zusammenarbeiten werden, ist es Ansporn, sich mit aller Kraft der neuen Grundlagenforschung zu widmen. Damit in nicht allzu ferner Zukunft optimierte und neue Wirkstoffe gegen die Infektionskrankheiten dieser Welt hergestellt werden können, weil deren Wirkweise endlich verstanden wurde.

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