Studie: Fünf Milliarden Euro ungenutztes Potenzial in deutschen Forschungs- und Entwicklungsabteilungen

02.09.2003
Die Europäische Union strebt an, die Ausgaben für Forschung und Entwicklung (F&E) bis 2010 auf drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu steigern, um den Rückstand Europas zu den wichtigsten Partnern, insbesondere den USA, aufzuholen. Mit dieser Initiative "Forschung für Europa - Steigerung der F&E-Ausgaben" will die EU wichtige Impulse für mehr Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung setzen. Die F&E-Ausgaben in Deutschland beliefen sich in 2001 auf ungefähr 50 Milliarden Euro oder 2,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Damit liegen sie ebenfalls deutlich unter den angestrebten drei Prozent. Ein Anheben der F&E-Ausgaben ist jedoch nicht die einzige Möglichkeit, um die Innovationskraft und damit die Wettbewerbsfähigkeit zu stärken. Nach einer aktuellen Untersuchung der internationalen Management- und Technologieberatung Booz Allen Hamilton werden die finanziellen Mittel im Bereich Forschung & Entwicklung in Deutschland nur unzureichend genutzt. Es liegt demnach ein ungenutztes Potenzial von fünf Milliarden Euro brach. "Besonders in wirtschaftlich schwierigen Zeiten, in denen sich Unternehmen ein Anheben der F&E-Ausgaben in vielen Fällen nicht leisten können, kommt es zwingend darauf an, die F&E-Produktivität so weit wie möglich zu optimieren", sagt Gregor Harter, Vice President und Partner bei Booz Allen Hamilton. F&E-Produktivität bedeutet hier das Verhältnis der bewerteten Anzahl von neu- oder weiterentwickelten Produkten zu den eingesetzten F&E-Ausgaben. In der deutschen Automobilindustrie, die ungefähr ein Drittel der F&E-Ausgaben deutscher Unternehmen repräsentiert, stellt die Benchmark-Studie beachtliche Unterschiede in der F&E-Produktivität von bis zu 50 Prozent zwischen einzelnen Herstellern fest. Das durchschnittliche Produktivitätsniveau liegt immerhin noch 20 Prozent hinter dem des deutschen Spitzenreiters. Vergleicht man die durchschnittliche F&E-Produktivität deutscher Automobilhersteller mit denen japanischer Wettbewerber liegt das Gefälle bei 30 Prozent. Noch größere Unterschiede zwischen den Unternehmen wurden im Healthcare-Sektor nachgewiesen. Hier liegt die F&E-Produktivität um den Faktor vier auseinander. Das spiegelt auch die Unsicherheit bei der Entwicklung von neuen Wirkstoffen wider. Für eine signifikante Steigerung der F&E-Produktivität ist es nötig, dass das Thema vom Top-Management entsprechend vorangetrieben und unterstützt wird. Zu Beginn des Optimierungsprozesses sollte die Produktivität des eigenen Bereiches und die Produktivitätslücke zu den stärksten Mitbewerbern ermittelt werden. "Dann ist es wichtig, ehrgeizige Ziele zu formulieren, um den Druck für Verbesserungen aufzubauen.", so Dr. Thomas Goldbrunner, Berater bei Booz Allen. "Alle Hebel für Verbesserungen, wie etwa konsequentes Portfolio- und Projektmanagement, Integrierte Produktentwicklung, Gleichteilestrategie und Standardisierung, Virtuelle Produktentwicklung, bessere Integration von Zulieferern bis hin zur Standort- und Strukturkostenoptimierung, sollten in Betracht gezogen werden", ergänzt Georg List, Berater bei Booz Allen. Erfolgversprechend ist dabei auch der Blick über den Tellerrand der eigenen Industrie hinaus, um von anderen Branchen zu lernen. Die Automobilindustrie zum Beispiel hat nicht zuletzt wegen ihrer Reife eine Vorreiterfunktion bei der Innovation von Methoden und Prozessen in der Produktentwicklung, wie Virtuelle Produktentwicklung, Integration von Zulieferern oder Design-to-Cost. Die Pharmaindustrie wiederum zeichnet sich durch fortgeschrittene Methoden und Prozesse beim Produktportfolio- und Pipelinemanagement aus. Gutes Kundenverständnis schließlich kann man sich bei der Konsumgüterindustrie abschauen. "Oft handelt es sich nicht um völlig neuartige Konzepte, sondern um bereits diskutierte Ansätze, die aber nur teilweise oder vereinzelt implementiert wurden. Wichtig ist die kohärente und konsequente Verfolgung vieler Themen über einen längeren Zeitraum hinweg, um das nötige Moment für substanzielle Verbesserungen zu kreieren", so Harter weiter. In wirtschaftlich schwierigen Zeiten stehen bei vielen Unternehmen Kostensenkungsprogramme im Vordergrund. Um die Profitabilität auch mittel- und langfristig zu sichern, ist es für die meisten Unternehmen jedoch die bessere Option, die realisierten Potenziale für F&E-getriebene Innovation und dadurch generiertes Umsatzwachstum zu nutzen, ganz im Sinne der Initiative der Europäischen Union.

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