Chemikaliensicherheit: In Deutschland ist kein Quantensprung durch REACH zu erwarten

06.02.2004

Keine andere Branche in Europa ist heute hinsichtlich umweltrelevanter Auflagen so stark reguliert wie die chemische Industrie. Darüber hinaus hat die deutsche Chemie in der Vergangenheit eine Reihe von eigenverantwortlichen Maßnahmen ergriffen, um die Sicherheit ihrer Stoffe zu prüfen und zu verbessern. Dies betrifft vor allem die so genannten "Altstoffe", die vor der Einführung des Chemikaliengesetzes 1981 in Europa vermarktet wurden und damit keiner Prüfpflicht unterlagen. "Es ist unredlich zu behaupten, unsere Unternehmen hätten keine Informationen über diese Stoffe und könnten deshalb die Sicherheit im Umgang mit ihren Produkten nicht gewährleisten", betonte Dr. Gerd Romanowski, der für Umweltpolitik zuständige Geschäftsführer im Verband der Chemischen Industrie (VCI), auf dem 2. europäischen Kongress der Chemieregionen heute in Halle im Beisein der EU-Umweltkommissarin Wallström.

Ende Oktober letzten Jahres hat die EU-Kommission unter dem Kürzel REACH ihren Vorschlag für eine Reform des Chemikalienrechts in der EU vorgelegt. Kernstück der Verordnung ist die Registrierung, Bewertung und Zulassung von Altstoffen. Nach Auffassung des VCI sind die Möglichkeiten hierzulande begrenzt, von Chemikalien ausgehende Risiken noch weiter zu reduzieren. "Wie anspruchsvoll REACH auch immer ausfällt: Den angeblichen 'Quantensprung' beim Schutz von Umwelt und Gesundheit wird es bei uns nicht geben", sagte Romanowski, "weil wir schon ein sehr hohes Niveau in der Chemikaliensicherheit erreicht haben."

Erfolgreiches Prüfprogramm für Altstoffe in Deutschland Von 1988 bis 1993 hat die deutsche Chemie in Kooperation mit der Bundesregierung ein Prüfprogramm für Altstoffe durchgeführt. Für rund 1.000 Stoffe mit großem Produktionsvolumen wurden die sicherheitsrelevanten Daten ermittelt. Diese Substanzen decken mengenmäßig rund 95 Prozent der Chemieproduktion in Deutschland ab. Außerdem wurden für über 300 Stoffe ausführliche Risikobewertungen durchgeführt, die den Behörden vorliegen. Die Ergebnisse dieser Aktion, die im Unterschied zur EU-Altstoffverordnung äußerst erfolgreich verlief, wurden auch in Englisch publiziert, so dass sie europaweit verwertbar sind.

Zusätzlich haben die Mitgliedsfirmen des VCI von 1997 bis 2002 für alle Stoffe ab einer Produktionsmenge von einer Tonne pro Jahr einen Mindestdatensatz erstellt. Auf diese Weise wurden rund 25.000 Stoffe auf die Verfügbarkeit bestimmter sicherheitsrelevanter Daten untersucht, zum Beispiel akute Giftigkeit oder biologische Abbaubarkeit. Fehlten diese Informationen, wurden sie von den Unternehmen ergänzt.

Veraltetes Mengenkonzept statt modernes Risikomanagement Aus Sicht des VCI wird mit REACH ein über 20 Jahre altes Konzept, das sich in der Praxis nicht bewährt hat, im Prinzip weitergeführt und auch auf die Altstoffe ausgedehnt. Die vorgeschriebenen Prüfanforderungen richten sich weiterhin vorwiegend danach, in welcher Menge ein Stoff produziert oder importiert wird und ob er gefährliche Eigenschaften besitzt. Entscheidend dafür, ob wirklich ein Risiko für Mensch oder Umwelt existiert, ist aber die Exposition. Darunter versteht man Höhe, Art und Dauer der Belastungsfaktoren, denen Mensch oder Umwelt tatsächlich ausgesetzt sind. Romanowski: "Gefährliche Eigenschaften an sich ergeben noch kein Risiko." So kann auch eine giftige Substanz in der chemischen Synthese ohne Probleme eingesetzt werden, wenn die Umsetzung in einem geschlossenen Reaktor erfolgt und dadurch Beschäftigte oder Umwelt nicht mit dem Stoff in Berührung kommen. Allerdings befürwortet der VCI, dass auch in einem solchen Fall von den Firmen ein Mindestdatensatz vorgehalten wird, der bei kritischen Ereignissen die akuten Maßnahmen und die reibungslose Kommunikation über die Stoffeigenschaften sicherstellt.

Dass der Aufwand für das Registrierverfahren bei Behörden wie Unternehmen deutlich reduziert werden muss, hat erst vor kurzem ein Praxistest der Landesregierung in Nordrhein-Westfalen gezeigt. Der VCI schlägt in diesem Zusammenhang als Alternative zum mengenabhängigen Prüfkonzept der Kommission ein neues Risikomanagementsystem vor, das sich auf eine Kombination aus Mindestdatensatz (s.o.) und so genannte "Expositionskategorien" stützt, in denen typische Belastungssituationen zusammengefasst werden, die gleiche Schutzmaßnahmen erfordern. Das hätte den Vorteil, dass nicht bei allen 30.000 marktrelevanten Stoffen für jede einzelne Anwendung Stoffprüfungen erfolgen müssten.

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