Strukturaufklärung und synthetischer Nachbau des Muschelgiftes Azaspiracid

07.07.2004

Meeresfrüchte sind bekanntlich mit Vorsicht zu genießen, denn ihr Verzehr kann gelegentlich zu Vergiftungen führen. Meist sind Einzeller, die vom Meeresgetier gefressen werden, die Giftproduzenten. Ein bestimmter Vergiftungstyp, der in europäischen Gewässern kultivierte Miesmuscheln betrifft, wird durch das Nervengift Azaspiracid-1 verursacht. Vor einigen Jahren wurde eine Struktur für diese Verbindung vorgeschlagen, die sich inzwischen aber als fehlerhaft erwies. Kalifornische Forscher um K. C. Nicolaou haben sich das Muschelgift nun noch einmal vorgenommen und nicht locker gelassen, bis alle Fehler des ursprünglichen Vorschlags aufgedeckt und korrigiert waren. Durch eine Totalsynthese, also den kompletten Nachbau des Naturstoffes im Labor, traten die Wissenschaftler den Beweis an, dass die revidierte Struktur korrekt ist. "Auf der Basis unseres Synthesewegs können zudem ausreichende Mengen Azaspiracid hergestellt werden," sagt Nicolaou, "um dessen Wirkmechanismen weiter zu erforschen und vor allem Methoden zu entwickeln, mit denen Meeresfrüchte und Gewässer überwacht werden können."

Warum war die Sturkturaufklärung von Azaspiracid-1 ein so schwieriges Unterfangen? Der Naturstoff hat ein komplexes Gerüst aus neun verschiedenen (A bis I genannten), teilweise miteinander verschmolzenen Ringen. Drei brezelartige "spirocyclische" Verknüpfungen zwischen den Ringen (ein Kohlenstoffatom gehört zwei senkrecht zueinander stehenden Ringen gemeinsam) lassen dabei verschiedene Möglichkeiten zu, wie die genaue räumliche Struktur (Konfiguration) an diesen Ringen aussehen könnte. Zudem enthält das Molekül insgesamt 20 chirale Kohlenstoffzentren. Chiral bedeutet, dass die Bindungspartner dieser Atome auf jeweils zwei verschiedene Weisen angeordnet sein könnten, die sich zueinander verhalten wie Bild und Spiegelbild.

Um der richtigen Struktur auf die Schliche zu kommen, zerlegten die Forscher das natürliche Azaspiracid in kleinere Bruchstücke, "kochten" diese im Labor zunächst entsprechend dem ersten Strukturvorschlag nach und verglichen sie mithilfe spektrometrischer und chromatographischer Methoden mit den Original-Puzzleteilen, um die Fehler einzukreisen. Nach dieser Puzzle-Methode gelang es ihnen zuerst, die Struktur des Ringsystem FGHI zu verifizieren und die Konfiguration von Ring E zu revidieren. Ein Analogieschluss durch Vergleich mit der Struktur eines verwandten Naturstoffs half bei Ringsystem ABCD weiter: Eine Doppelbindung muss gegenüber dem ursprünglichen Vorschlag um einen Platz weiter gerückt werden. Zu revidieren war außerdem die Konfiguration beider spirocyclischer Verknüpfungen zwischen den Ringen A, B und C. Die letzten Fragen, etwa ob Ringsystem ABCD als Bild oder Spiegelbildvariante vorliegt, klärten sich bei der finalen Verknüpfung der einzelnen Puzzleteile zum Gesamtmolekül.

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