Chemieindustrie fasst Tritt - Produktionsverlagerung dauert an

Von Peter Lessmann, dpa

22.12.2004

Düsseldorf (dpa) - Wenn der starke Euro nicht wäre und die Rohölpreise ein normales Niveau hätten, ginge es der deutschen Chemieindustrie schon fast richtig gut. Nach dem Spitzenjahr 2000 mit einem zweistelligen Umsatzplus können sich die Ergebnisse der stark exportorientierten Branche 2004 wieder sehen lassen. Jürgen Hambrecht, Präsident des Verbandes der Chemischen Industrie (VDI) und Vorstandschef des Branchenprimus BASF darf frohlocken: «Die Erholung der Weltwirtschaft hat endlich auch Teile der deutschen chemischen Industrie erreicht».

Zwar hob der Verband seine Prognose für das laufende Jahr leicht an. Doch mit einem Plus von 3,5 Prozent auf 141 Milliarden Euro fallen die Erlöszuwächse der Chemieindustrie in diesem Jahr immer noch recht bescheiden aus. Was aber zählt, ist die Trendumkehr. Vor allem im zweiten und dritten Quartal 2004 verbesserte sich die wirtschaftliche Lage der Chemieunternehmen - und das trotz steigender Rohölpreise und eines zunehmend stärker werdenden Euro.

Utz-Hellmuth Felcht, Vorstandschef des Chemiespezialisten Degussa, zeigte sich im November über die Entwicklung hoch erfreut. Trotz schwieriger Rahmenbedingungen sei das Geschäft gut verlaufen, sagte er auf der Herbstpressekonferenz. Auch Bayer-Chef Werner Wenning konstatierte vor allem für die Industriebereiche und die ausgegliederte Chemietochter LANXESS eine deutliche Geschäftsbelebung.

Bei den Aussichten für 2005 halten sich VCI, Branchenexperten und die Unternehmen dagegen zurück. Zu unsicher seien die Entwicklungen der Währungsrelationen und der Rohölpreise. Letztere treiben vor allem die Herstellungskosten nach oben, und der starke Euro belastet das Exportgeschäft. «Die Erholung der deutschen Chemiekonjunktur wird sich im kommenden Jahr fortsetzen, aber die Dynamik schwächt sich im Jahresverlauf ab», glaubt Verbandschef Hambrecht.

Starker Euro hin, gestiegene Rohölpreise her - die Exporte mit einem Anteil von etwas mehr als 50 Prozent vom Gesamtumsatz bleiben Stütze und Motor der Branchenkonjunktur. Während die Unternehmen in diesem Jahr im Inland nur ein leichtes Absatzplus erwirtschaften werden, laufen die Ausfuhren wie geschmiert. Nach Angaben des VCI sollen sie sich, einschließlich der Verkäufe von chemischen Erzeugnissen durch andere Branchen, um 14 Prozent auf gut 98 Milliarden Euro erhöhen.

Andauern wird unterdessen der Stellenabbau. Laut VCI wird die Chemieindustrie Ende 2004 noch knapp 446 000 Menschen beschäftigen, vier Prozent weniger als ein Jahr zuvor. Und sollten die Prognosen von Experten eintreffen, kommt alles noch schlimmer: Nach Einschätzung der Beraterfirma A.T Kearney wird die Chemieindustrie bis 2015 in Europa drastisch schrumpfen und nach China abwandern. Bis zu einem Drittel aller Arbeitsplätze sollen dabei ins Reich der Mitte verlagert werden. Für Deutschland wird dabei eine Zahl zwischen 150 000 und 200 000 Stellen genannt, die dem Rotstift zum Opfer fallen könnten.

Ob BASF, Degussa oder Bayer - China und die asiatisch-pazifische Region sind mit ihren Lohnkostenvorteilen und Kundenpotenzialen attraktive Märkte. Die Nachfrage von Abnehmerbranchen wie Telekommunikation-, Textil-, Automobil- und Elektronikindustrie boomt. Ein Fünftel bis ein Viertel des Umsatzes wollen die Chemiegiganten bald in China erwirtschaften. Hambrecht nennt das Land bereits als künftige Produktionsbasis der Welt. «Wir gehen dort hin, wo unsere weiterverarbeitenden Kunden sind».

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