Konsolidierung der deutschen Pharmabranche gewinnt an Tempo

28.09.2006

(dpa-AFX) - Das Tempo ist atemberaubend: Innerhalb weniger Tage haben deutsche Pharmaunternehmen gleich drei Milliarden-Deals verkündet: Der Darmstädter Pharma- und Chemiekonzern Merck angelte sich überraschend das Schweizer Biotechnologie- Unternehmen Serono - nachdem er wenige Monate zuvor Schering dem Konkurrenten Bayer überlassen musste. Altana verkaufte seine Pharmasparte nach langer Suche an den dänischen Arzneimittelhersteller Nycomed. Und am Montag verkündete das Familienunternehmen Schwarz Pharma, dass es sich mit dem belgischen Wettbewerber UCB auf eine Übernahme geeinigt habe. Die lange erwartete Konsolidierung der vielfältigen deutschen Pharmabranche ist damit in vollem Gang.

"Der Druck im Markt ist groß, das bringt auch andere unter Zugzwang", sagt Analystin Silke Stegemann von der Landesbank Rheinland-Pfalz. Die Unternehmen müssten eine kritische Masse erreichen, um weltweit wettbewerbsfähig zu bleiben und mehr Marktmacht zu gewinnen. Wenn sich immer größere Player zusammenfinden, wachse der Handlungsbedarf für die restlichen Unternehmen - zumal gleichzeitig auch die vielversprechenden Fusionskandidaten weniger werden. "Die mittelgroßen Firmen fürchten, dass keiner mehr zum Heimgehen da sein könnte, wenn die Musik aufhört zu spielen", sagt Pharmaexperte Christian Wenk von der Ratingagentur Standard & Poor's. Deshalb gebe es nun eine Art "Torschlusspanik". Bevorstehende Patentabläufe sorgen für zusätzlichen Zeitdruck.

Die Konsolidierung der Pharmabranche ist kein deutsches Phänomen. Weltweit nehmen Zusammenschlüsse von Arzneimittelherstellern zu. Im Gegensatz zur Automobil- oder Chemiebranche, wo die Top Ten schon etwa 90 Prozent des Weltmarktes abdecken, sind es bei Pharma nur 50 Prozent - das lässt noch viel Raum für Fusionen. Nach einer Studie von PricewaterhouseCoopers (PwC) verzeichnete die Pharmabranche im Jahr 2005 im Beteiligungsmarkt weltweit 684 Transaktionen mit einem Wert von 61 Milliarden US-Dollar (etwa 48 Mrd Euro). Häufig waren Generika-Hersteller oder Biotech-Unternehmen im Spiel. "Die Übernahme von Schering durch Bayer zeigt, dass die Synergie- und Konsolidierungspotenziale auch unter den forschenden Pharmaunternehmen noch nicht ausgeschöpft sind", stellte PwC- Pharmaexperte Volker Booten kürzlich fest.

Auch wenn der Erfolg eines Pharmaherstellers nicht allein von seiner Größe abhängt, wird diese im globalen Wettbewerb zunehmend wichtiger. Nur Unternehmen mit großen Forschungsbudgets haben die Möglichkeit, den Nachschub neuer Medikamente zu sichern. "Es kommt darauf an, wie viele Chips sie im Casino haben", sagt Wenk. Die Chance auf einen Treffer sei umso höher, je mehr eingesetzt werden könne. Von der Idee eines neuen Medikaments bis zu seiner Markteinführung vergehen nach Angaben des Verbandes Forschender Arzneimittelhersteller (VFA) durchschnittlich zwölf Jahre. Weltweit kommen jährlich etwa 25 neue Wirkstoffe auf den Markt, davon zwei von deutschen Herstellern. Die Kosten für ein neues Arzneimittel inklusive Fehlschlägen liegen im Schnitt bei etwa 800 Millionen US- Dollar.

"Angesichts der hoch risikoreichen und kostenintensiven Forschung schauen viele, wie sie über Fusionen Synergien erzielen können", sagt VFA-Hauptgeschäftsführerin Cornelia Yzer. Die deutschen Pharmaunternehmen seien in der Vergangenheit oft wegen ihrer geringen Größe belächelt worden und in internationalen Rankings zurückgefallen. Mit den aktuellen Fusionen könnten möglicherweise neue europäische Champions entstehen. Der Gesundheitssektor sei ein globaler Wachstumsmarkt. "Es hängt schon von der Größe ab, wie sie einen solchen Markt bedienen können", meint Yzer. Deshalb ist das Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht. "Auf dem Pharmamarkt ist immer noch genügend Zersplitterung da, so dass auch in Zukunft mit einer weiteren Konsolidierung zu rechnen ist", sagt Pharmaanalyst Karl-Heinz Scheunemann vom Bankhaus Metzler.

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