Was der Käferfuß verspricht, das hält er

Forscher des Stuttgarter Max-Planck-Instituts für Metallforschung entwickeln zusammen mit der Gottlieb Binder GmbH in Holzgerlingen neuartiges Haftmaterial nach dem Vorbild von Insektenfußsohlen

25.10.2006

Mikrohärchen mit Pilzkopf sind das Geheimnis eines neuen Haftmaterials, das Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Metallforschung in Stuttgart entwickelt haben. Die spezielle Oberflächenstruktur ist von Käferfußsohlen inspiriert, also biomimetisch, und lässt das Material an glatten Wänden kleberfrei haften. Potenziellen Anwendungen reichen von wieder verwendbarem Klebeband bis hin zu Schuhsohlen für Kletterroboter.

Schon seit einiger Zeit ist bekannt, wie Insekten, Spinnen und Geckos zu dem bemerkenswerten Talent kommen, an Wänden oder Decken spazieren zu gehen - extrem dünne Härchen lassen ihre Füße regelrecht an der Wand kleben. Je größer das Tier, desto feiner diese Haare. Die im Verhältnis zu einer Fliege schweren Geckos wenden bei der Gelegenheit schon seit Millionen Jahren Nanotechnik an. Nach Erkenntnissen der Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Metallforschung in Stuttgart ist die Form der Fasern auch ein bedeutender Faktor; besonders starke Haftung erzielen beispielsweise spatelförmige Haarenden.

Diese Entdeckungen entfachten große Erwartungen: Kann man entsprechende biomimetische Haftmaterialien im Alltag wieder finden? Jetzt sind die Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Metallforschung und der Gottlieb Binder GmbH in Holzgerlingen bei der Nachahmung des biologischen Haftmechanismus einen großen Schritt weiter gekommen. Sie entwickelten ein Material, dessen biomimetische Mikrostruktur exzellente Hafteigenschaften bewirkt. Die Entwicklung der künstlichen Strukturen basierte auf der Untersuchung der Fußsohlen mehrerer Käferarten. Deren besonders starke Haftkraft beruht auf speziell geformten Härchen, die an winzige Pilze erinnern.

In den strengen Prüfungen, die Max-Planck-Forscher mit speziell für diesen Zweck entwickelten Messinstrumenten vornahmen, überzeugte das künstliche Haftsystem mit vielen Vorzügen. So hält es hunderte Anwendungen nacheinander durch, hinterlässt keine sichtbaren Spuren und regeniert sich vollständig von Verschmutzungen, wenn man es mit Seife wäscht. Die Forscher ermittelten, dass fünf Quadratzentimeter des Materials an Wänden mit glatten Oberflächen bis zu hundert Gramm schwere Gegenstände halten; an der Decke allerdings erheblich weniger. Glas oder poliertes Holz eignen sich gut als Unterlage, also glatte Strukturen - hingegen ist die Raufasertapete nicht gerade das Lieblingsterrain des Materials.

Bei der Herstellung dient eine Form als Vorlage, in die gleichsam als Negativbild die gewünschte Oberfläche eingeprägt ist. Man füllt ein polymerisierendes Gemisch hinein, lässt es aushärten und trennt anschließend den Kunststoff von der Vorlage. Was hier so einfach klingt, war Ergebnis "langen Rumprobierens". Der Bau der Mikrostruktur-"Kuchenform" forderte die Forscher dabei am meistern heraus - wie das genau funktioniert, bleibt Betriebsgeheimnis. Aber auch die Optimierung der Polymer-Mischung brachte die Wissenschaftler ins Schwitzen; ist sie zu flüssig, fließt sie einfach aus der Form raus, ist sie zu viskos, gelangt sie gar nicht erst hinein.

Originalveröffentlichung: S. Gorb, M. Varenberg, A. Peressadko, J. Tuma; "Biomimetic mushroom-shaped fibrillar adhesive microstructure."; Journal of the Royal Society Interface 2006.

K.A. Daltorio, S. Gorb, A. Peressadko, A. D. Horchler, R.E. Ritzmann, R.D. Quinn; "A robot that climbs walls using micro-structured polymer feet."; Proc. Int. Conf. Climbing and Walking Robots (CLAWAR) 2005.

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